Benefizkonzerte für Oxfam

Mit Bach und Brahms gegen den Hunger

Als "Tropfen auf den heißen Stein" betrachtet der Bensberger Komponist und Pianist Roland Vossebrecker seine Konzerte, mit denen er bundesweit Spenden sammelt. Trotzdem lässt er sich nicht entmutigen. Bislang kamen so 66.000 Euro zusammen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Auf dem Programm der aktuellen Saison stehen Bach, Brahms und Vossebrecker. / © Tomasetti (DR)
Auf dem Programm der aktuellen Saison stehen Bach, Brahms und Vossebrecker. / © Tomasetti ( DR )

Das ambitionierte Programm des Solisten hat es in sich. Erst sind es Bachs Präludien und Fuge in E-Dur und gis-Moll aus den Notenbänden "Das wohltemperierte Klavier" des Leipziger Thomaskantors. Dann spielt der Pianist Eigenkompositionen: Kanon-Sonatinen, drei Stück an der Zahl. Im letzten Teil des Konzertes schließlich bewegt sich Roland Vossebrecker wieder auf klassischem Terrain. Jetzt steht Brahms im Mittelpunkt: Das Intermezzo C-Dur, das Capriccio fis-Moll und das "Allegro energico" der Ballade g-Moll haben es dem Musiker angetan. Jedenfalls lässt er das sein Publikum spüren und zieht dafür alle Register. Mal scheint er elegisch ins Spiel versunken, dann wieder tanzen seine Hände kraftvoll-elegant über die Tastatur des Flügels und entfalten großes Pathos. Der brillante Vortrag reißt mit. Denn hier ist ein Könner am Werk. Ein Meister seines Fachs, der dieser Musik der Hochromantik Seele einhaucht.

Jahrzehntelanges Training suggeriert eine Art Leichtigkeit. Dabei stecken hinter dieser Virtuosität harte Arbeit und stundenlanges Üben – bei aller Routine, die Vossebrecker zweifellos hat. Aber die nicht alles ist. Der 54-Jährige Bensberger, der in den 80er Jahren an der Kölner Musikhochschule Klavier und Orchesterdirigieren studiert hat, liebt, was er tut. "Ich bin voll und ganz Musiker und spiele, was mir Freude macht", betont er. "In der Vorbereitungsphase eines Konzertes setze ich mich so intensiv wie möglich mit den gewählten Werken auseinander." Und dass Bach und Brahms aufgrund ihrer "emotionalen Tiefe und kompositorischen Vielschichtigkeit", wie er sagt, unbestritten zu seinen Lieblingskomponisten gehören – das ist nicht zu überhören. Vielleicht entfaltet sein Spiel auch deshalb diesen Zauber, der sich auf seine Zuhörer überträgt und später für begeisterten Applaus sorgen wird.

Jeder ist mit seinem persönlichen Beitrag gefragt

Doch Roland Vossebrecker sitzt nicht im Scheinwerferlicht eines prominenten Konzertsaales. Seine Auftritte sind eher von bescheidenem Ausmaß, können daher auch schon mal in einem privaten Wohnzimmer stattfinden und den Charme eines Hauskonzertes haben. Denn das ist das Prinzip des Künstlers: überall dorthin seine Musik zu bringen, wo er willkommen ist mit seiner Mission. Denn die hat er zweifelsohne. Und dafür gilt es immer wieder, eigeninitiativ neue und manchmal auch ungewöhnliche Räume zu erschließen. Das kann die Ölbergkirche in Berlin genauso sein wie das Bürgermeisterhaus in Essen-Werden, die Musikschule in Hürth oder eine Studiobühne in Kassel. Wichtig ist, dass überall dort ein gutes Instrument zur Verfügung steht und es ein Publikum gibt, das Literatur von Bach, Brahms und eben Vossebrecker hören will – auch wenn die Anzahl der Konzertbesucher für den Musiker letztlich nicht das Entscheidende ist. Vielmehr will er als Interpret überzeugen – und vor allem mit seinem Appell, dass jeder in seiner Verantwortung gefragt ist und seinen persönlichen Beitrag dazu leisten kann, den Kampf für das Klima und gegen den Hunger weltweit zu unterstützen.

Denn der Musiker spielt für Oxfam, einen internationalen Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, der laut eigener Aussage dafür arbeitet, dass sich Menschen in den Ländern des globalen Südens nachhaltige und sichere Existenzgrundlagen schaffen können, Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Trinkwasser und Hygiene-Einrichtungen sowie Unterstützung bei Krisen und Katastrophen erhalten. Oxfam vereint als internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Menschen in aller Welt, die sich nicht damit abfinden wollen, dass es Armut und extreme Ungleichheit gibt.

Aus Experiment ist etabliertes Projekt geworden

Das sind Ziele, für die sich auch der Bensberger Komponist und Pianist schon seit Jahren stark macht und daher mittlerweile regelmäßig Konzerte an ganz unterschiedlichen Orten gibt. In der Summe sind auf diese Art und Weise bislang 66.000 Euro zusammengekommen, die er ohne Abzug an Oxfam weitergeleitet hat. Für Organisation, Reisekosten und Werbung kommt der zweifache Familienvater selbst auf.

Angefangen hat alles mit einer ungeplanten Aktion nach dem schweren Erdbeben in Nepal 2015. Vossebrecker hatte gerade eine offizielle Konzertreihe abgeschlossen, als ihm spontan die Idee zu einem Benefizauftritt zugunsten der Erdbebenopfer kam und er ein zusätzliches Konzert für die Katastrophenhilfe in der Aula der Kölner Innenstadtkirche St. Aposteln aus dem Boden stampfte. Immerhin kamen an diesem Abend 2.500 Euro zusammen. "Ein tolles Ergebnis", wie der Künstler findet, der daraufhin aus diesem Experiment für sich ein sehr persönliches Projekt ableitet, das nun schon ins fünfte Jahr geht.

Konzerterlös kommt Klima-Projekten zugute

"Die großartige Arbeit von Oxfam auf den Gebieten der nachhaltigen Entwicklungshilfe, der Katastrophenhilfe und der politischen Kampagnen für eine gerechte Welt ohne Hunger und Armut hat mich überzeugt, diese jährliche Konzertreihe ins Leben zu rufen und sie in den Dienst einer Organisation zu stellen, für die Gerechtigkeit in allen ihren Facetten oberste Priorität hat", erklärt Vossebrecker. "Jahrzehntelang sind weltweit große Fortschritte im Kampf gegen den Hunger erzielt worden. Jetzt aber droht der Klimawandel, diese positive Entwicklung zunichte zu machen: Der Hunger auf der Welt nimmt wieder zu." Daher soll in der laufenden Saison der eingespielte Erlös seiner aktuellen Konzere auch den Klima- und Ressourcenschutz-Projekten von Oxfam zugute kommen. "Denn die Themen ‚Klima’ und ‚Hunger’ mit ihren erschreckenden Folgen – Hunger, Dürren, Überschwemmungen, Flüchtlingsbewegungen – hängen ja direkt miteinander zusammen. Und gerade Projekte, die mit sich verändernden klimatischen Bedingungen zu tun haben, sind ein Teil von Klimagerechtigkeit. Hier geht es darum, Menschen zu helfen, die am wenigsten an der Klimakrise schuld haben, aber am meisten unter dem leiden, was wir in den reichen Industrienationen mit unserem Konsumverhalten und Energiehunger anrichten."

In der Verantwortung, mit Musik etwas zu bewirken

Allein im Südsudan seien derzeit über 900.000 Menschen wegen Überschwemmungen weiter Teile ihres Landes auf der Flucht. Im Süden Afrikas deute sich zudem eine Dürre an, wie es sie seit 35 Jahren nicht mehr gegeben habe, berichtet Vossebrecker. "Das bedroht die Existenz von 45 Millionen Menschen, die auf internationale Nahrungslieferungen angewiesen sind." Da sehe er sich in der Verantwortung, mit seiner Musik etwas zu bewirken, auch wenn es nur ein winzig kleiner Beitrag, der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sei. Er könne keine Konzerte im Südsudan geben, aber Spenden in Deutschland für dieses afrikanische Land sammeln", unterstreicht der Musiker. "Wir brauchen heute eben sehr viele solcher Tropfen für einen immer heißer werdenden Stein."


Der Pianist Roland Vossebrecker bereitet sich auf jedes Konzert intensiv vor. / © Tomasetti (DR)
Der Pianist Roland Vossebrecker bereitet sich auf jedes Konzert intensiv vor. / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR