Gegen Angst und Einsamkeit - Fachleute geben Ratschläge

Damit einem die Decke nicht auf den Kopf fällt

Bundesweite Ausgangssperre nein - massive Beschränkungen aber durchaus. Die wenigsten haben Erfahrung mit einer solchen Situation. Mancher gute Tipp kommt von Psychologen - und Lebenskünstlern.

Autor/in:
Paula Konersmann
Symbolbild Einsamkeit / © fizkes (shutterstock)

Ein Geheimrezept hat niemand. Nicht einmal Maria Anna Leenen. Dabei lebt sie schon lange in Abgeschiedenheit - als Eremitin in einem alten Bauernhaus bei Osnabrück. "Für das Leben in Einsamkeit braucht es eine gewisse Erfahrung", sagt sie im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

In ihrer Anfangszeit als Eremitin habe sie eine innere Unruhe verspürt - nun werfe die Corona-Epidemie viele Menschen auf sich selbst zurück.

Aktiv bleiben

Erfahrung mit wochenlanger Isolation haben die wenigsten. Die Sorge vor Vereinsamung ist groß, nicht nur bei älteren Menschen. Auf Twitter posten manche Nutzer augenzwinkernd, als Single wünschten sie sich einen Mitbewohner auf Zeit - für gemeinsame Spaziergänge mit dem gebotenen Mindestabstand. Andere fragen die "Eltern-Bubble", wie sie den Nachwuchs beschäftigen könnten, wenn das Bastelmaterial schon am allerersten Tag verbraucht sei.

Helfen könne es, im Rahmen der Möglichkeiten aktiv zu bleiben, sagt der Psychologe Ulrich Hegerl. Gerade für Menschen, die an Angststörungen oder Depressionen leiden, seien geregelte Abläufe sinnvoll - etwa detaillierte Tages- und Wochenpläne. Dazu rät die Deutsche Stiftung Depressionshilfe, deren Vorsitzender Hegerl ist.

Sportliche Challenges

Wer einen Balkon oder Garten hat, kann dort kleine Workouts einlegen. Auch Spaziergänge, Jogging oder Fahrradfahren sind gut für Seele und Immunsystem. Manche Fitnesstrainer, Tanz- oder Yogalehrer verlegen sich derzeit auf Online-Angebote, führen Kurse per Skype oder YouTube durch.

Im Freundeskreis lassen sich ebenfalls "Challenges" organisieren - etwa, indem über WhatsApp-Gruppen morgens eine Übung vorgegeben wird, die jeder Teilnehmer bis zum Abend absolvieren muss.

Von "Der Mann, der zuviel wusste" bis "Hände weg von Mississippi"

Auch Kulturelles findet sich derzeit vielfach im Netz - Museen öffnen virtuell, Autoren lesen vor, Musiker nehmen Songs auf, um den anderen etwas Freude und Ablenkung zu bereiten. Eine Fundgrube sind auch die Mediatheken der TV-Sender - beispielsweise bei Arte sind Filmklassiker wie "Der Mann, der zuviel wusste" verfügbar.

Familien können sich beim Kinderkanal KiKA bedienen. Dort steht etwa die Kinderbuch-Verfilmung "Hände weg von Mississippi" in der Mediathek - über ein Mädchen, das eine eigenwillige Stute vor dem Schlachter bewahrt. Vielleicht lohnt auch ein Probe-Abo bei einem Streamingdienst?

Nicht zu viele Nachrichten lesen

Die fiktiven Formate "Die zwei Päpste" bei Netflix und "The New Pope" bei Sky widmen auf unterhaltsame Weise dem Leben an der Kirchenspitze. Wer in den vergangenen Wochen einen Kinofilm verpasst hat, könnte einmal bei kino-on-demand.com vorbeischauen: Hier gibt es - gegen Bezahlung - Filme zum "Nachgucken".

Neben diesen Angeboten können schon Kleinigkeiten viel bewirken, sagtdie Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper. "Das Licht anlassen, Musik hören, nur zweimal täglich Nachrichten ansehen. Ein permanenter Liveticker schürt eher Ängste." 

Kerzen im Fenster

Auch "gute alte Sachen" gäben Auftrieb, ergänzt die Expertin: "Kinderfilme ansehen, mal wieder einen Brief per Hand schreiben, Spiele spielen - gerade die, die nicht viel Aufwand erfordern, wie Kniffel oder Stadt-Land-Fluss."

Vielleicht werde momentan das Simple gesucht, beobachtet Christoph Wichmann, Pfarrer an der Oberhausener Gemeinde Sankt Pankratius. Sie ruft seit vergangenem Montag dazu auf, jeden Abend um 19.00 Uhr eine brennende Kerze ins Fenster zu stellen und das Vaterunser zu beten. Inzwischen haben sich sogar Menschen in Südafrika beteiligt, wie Wichmann dem Portal katholisch.de sagte.

Tanzen gegen die Angst

Der Zeithistoriker Malte Thießen verweist auf jene, die bereits in Quarantäne sind und etwa über Twitter ihre Erfahrungen und Eindrücke mit anderen teilen. "Viele Betroffene verstecken sich nicht - das kann anderen helfen, mit ihren Ängsten umzugehen", sagt der Forscher, der ein Buch über die Sozial- und Kulturgeschichte europäischer Seuchen in der Moderne veröffentlicht hat. Bei der eigenen Verarbeitung könne auch ein klassisches Tagebuch helfen.

Eremitin Leenen hat ebenfalls einen Tipp, der den Kreislauf in Schwung bringe, positive Stoffe ausschütte und gegen Ängste helfe: "Musik hören, die etwas Tempo hat - und danach tanzen".


Briefe schreiben kann in dieser Zeit für Zusammenhalt sorgen / © igorstevanovic (shutterstock)
Briefe schreiben kann in dieser Zeit für Zusammenhalt sorgen / © igorstevanovic ( shutterstock )

Über die soziale Medien verbreiten sich Nachrichten sehr schnell / © Yui Mok (dpa)
Über die soziale Medien verbreiten sich Nachrichten sehr schnell / © Yui Mok ( dpa )

Jogger schnürt sich die Sportschuhe (shutterstock)
Quelle:
KNA