Ärzte ohne Grenzen fordert Aufklärung in Kundus

Im Interesse der Bevölkerung

Ärzte ohne Grenzen fordert nach der Bombardierung ihres Krankenhauses in Kundus mit mindestens 22 Toten eine unabhängige Untersuchung. Nun gebe es für die Menschen keine Behandlungsmöglichkeit mehr, sagt Florian Westphal.

Das Krankenhaus in Kundus / © Medecins Sans Frontieres (dpa)
Das Krankenhaus in Kundus / © Medecins Sans Frontieres ( dpa )

domradio.de: Was sagen Sie zu den Vorwürfen der afghanischen Regierung?

Florian Westphal (Geschäftsführer der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen): Wir verlassen uns da auf die Augenzeugenberichte unserer eigenen Mitarbeiter, wir hatten ja um die 80 Mitarbeiter in dem Krankenhaus zum Zeitpunkt dieser Angriffe und keiner dieser Mitarbeiter hat von Kampfhandlungen von dem Krankenhausgelände ausgehend berichtet. Insofern müssen wir uns momentan darauf verlassen. Dazu muss man sagen, dass selbst wenn es irgendwelche gearteten Angriffe gegeben hätte, wäre es ja so, dass auch dies nicht unbedingt von vorneherein die dementsprechende Antwort durch Luftschläge rechtfertigen würde. Deswegen ist es eben wichtig, dass diese Dinge unabhängig international untersucht werden, damit man wirklich feststellen kann, was da vorgefallen ist und warum.

domradio.de: Glauben Sie denn, dass dieser schreckliche Vorfall wirklich aufgeklärt werden kann, wenn jetzt schon die afghanische Regierung ihrer Organisation eine Mitschuld gibt?

Westphal: Wir werden sicherlich darauf drängen, dass alles getan wird, dass dieser Vorfall aufgeklärt wird. Dies ist besonders wichtig, vor allem natürlich für die Betroffenen in Afghanistan selbst. Dieses Krankenhaus war das einzige Krankenhaus seiner Art, das medizinische Hilfe in Kundus bereitgestellt hat. Wir hatten mehr als 400 Patienten behandelt in den Tagen vor diesen Angriffen. Es muss einfach geschehen im Interesse der Bevölkerung in Afghanistan, dass hier Klarheit geschaffen wird.

domradio.de: Sie haben Ihre Mitarbeiter aus Kundus abgezogen. Wie geht es denn den Überlebenden?

Westphal: Es gibt ja 19 verletzte afghanische Mitarbeiter, da habe ich jetzt keine weiteren Informationen. Ich kann nur hoffen, dass ihre Behandlungen gut verlaufen. Unsere internationalen Mitarbeiter sind evakuiert worden, sie sind natürlich wie wir alle traumatisiert. Das heißt nicht nur traurig und schockiert, sondern natürlich auch wütend über das, was da vorgefallen ist.

domradio.de: Was bedeutet das denn für die afghanische Bevölkerung vor Ort, wenn Sie sich zurückziehen?

Westphal: Das bedeutet für die Bevölkerung von Kundus konkret, dass leider die medizinische Versorgung, die sie in dem letzten verfügbaren Krankenhaus in Kundus noch haben konnten, jetzt nicht mehr zur Verfügung steht. Das bedeutet sicherlich, dass leider Menschen auch zu Schaden kommen werden, sterben werden, denen hätte geholfen können.

Das Interview führte Mathias Peter.


Quelle:
DR