Verhaltensökonom zur menschlichen Bereitschaft zu teilen

Warum wir teilen

So wie Sankt Martin seinen Mantel ganz selbstlos geteilt hat, kommt das Teilen unseres Alltagsleben immer und überall vor. Aber warum teilt man? Verhaltens- und Experimentalökonom Matthias Sutter gibt einen Einblick in die Forschung.

Symbolbild Teilen / © Studio KIWI (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Ist das gute Gefühl der Grund, dass ich meine Pizza mit dem Kollegen teile?

Prof. Dr. Matthias Sutter (Verhaltens- und Experimentalökonom an der Universität zu Köln und an der Universität Innsbruck, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern): Es gibt mehrere Motive. Das Erste ist tatsächlich das, was wir in der Literatur "warm glow" nennen. Das beschreibt das Gefühl, dass einem warm um den Rücken wird, wenn man etwas Gutes tut, wie zum Beispiel die Pizza zu teilen.

Es gibt auch andere Gründe: Der Zweite ist, dass wir häufig sehr stark verwurzelte Fairnessvorstellungen haben. Dass wir denken: Ja, es ist eigentlich gut, auch etwas abzugeben, damit die Unterschiede nicht zu groß sind. Das sieht man zum Beispiel, wenn Kinder das Pausenbrot in der Schule tauschen. Oder wenn sie an Spendenverhalten denken, dann geben Leute gerne etwas ab, weil sie denken, auch anderen Menschen soll es etwas besser gehen.

Das hat auch viel mit Fairnessvorstellungen und der Frage zu tun: Was sind gerechte Verteilungen? Und der dritte Punkt ist, dass man häufig teilt, weil man in der Zukunft auch hofft, etwas Positives dafür zurückzubekommen.

DOMRADIO.DE: Werden denn diejenigen, die teilen, dafür belohnt?

Sutter: Langristig glaube ich: ja. Nicht erst im Himmel, hoffe ich, sondern davor, weil prosoziales Verhalten offensichtlich etwas ist, was auch auf dem Arbeitsmarkt zu höheren Wahrscheinlichkeiten zu Beförderungen und Gehaltserhöhungen führt.

DOMRADIO.DE: In religiösen Gemeinschaften fordert man häufig den Zehnten als Abgabe. Wie viel teilt man denn laut Ihrer Studien? Sind das zehn Prozent?

Sutter: Das ist im Durchschnitt häufig sogar etwas mehr. Lassen Sie mich das ganz kurz veranschaulichen. Wir nennen das Diktatorspiel: Sagen wir, Sie hätten hundert Euro und könnten jetzt etwas abgeben an eine andere anonyme Person. Und wenn man ein solches Diktatorspiel durchführt, dann sieht man, dass die Leute tatsächlich im Schnitt 15 bis 20 Prozent abgeben.

DOMRADIO.DE: Ist das Teilen denn in unterschiedlichen Kulturen anders? Teilen wir Deutschen zum Beispiel anders als die Amerikaner?

Sutter: Nein, da wären mir keine Unterschiede wirklich statistisch bedeutsamer Natur bekannt. Es gibt interessanterweise fast um den ganzen Globus herum relativ klare Fairnessvorstellungen, was Leute bereit sind, abzugeben und was sie lieber für sich behalten wollen.

DOMRADIO.DE: Aber die Amerikaner spenden ja deutlich mehr als die Deutschen?

Sutter: Ja, deutlich mehr. Da gibt es einfach eine ganze andere Kultur. Das fängt bei den Universitäten an, die ihre Absolventen permanent anschreiben, dass sie doch bitte spenden sollen. Und dort ist es einfach ein klarer Ausdruck dessen, dass man es zu etwas gebracht hat, wenn man auch eine große Spende machen kann. In Chicago an der Business School bekommen Sie einen größeren Buchstaben als Spender, wenn Sie über fünf Millionen spenden und kleinere Buchstaben unter fünf Millionen. Das ist ein klares soziales Signal: Ich habe es zu etwas gebracht.

DOMRADIO.DE: Bekommen wir das Teilen angelernt oder ist es tief in unserer DNA verankert?

Sutter: Ich glaube, es ist beides letztlich. Wobei es noch keine belastbaren Ergebnisse gibt, welche genetischen Komponenten wirklich das Teilen bedingen. Es ist aber so: Meine eigenen Studien zeigen, dass Kinder schon im sehr frühen Alter von drei bis fünf Jahren absolut bereit und gewillt sind, etwas zu teilen. Und diese Ergebnisse scheinen auch relativ stabil zu sein. Diese Bereitschaft, etwas herzugeben, gibt es schon in diesem frühen Alter.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR