Pakistan: Menschenrechtsexperte zum Fall Asia Bibi

"Eine menschliche Tragödie"

Asia Bibi ist Symbol für die Verfolgung von Christen geworden. In Pakistan zum Tode verurteilt, weil sie angeblich den Propheten Mohammed beleidigt haben soll. Menschenrechtsexperte Berthold Pelster sieht in Pakistan einige Probleme.

 (DR)

domradio.de: Asia Bibi hat ja viele prominente Fürsprecher - unter anderem die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus. Mit was für einem Urteil rechnen Sie am Donnerstag?

Berthold Pelster (Menschenrechtsexperte bei "Kirche in Not"): Das ist nicht leicht zu beantworten. Vor zwei Jahren ist bereits einmal ein Berufungsverfahren mit einer Zwischeninstanz gelaufen. Dort hat ein Berufungsgericht in Lahore das Todesurteil bestätigt. Im schlimmsten Fall wird es morgen auch wieder passieren.

domradio.de: Kann Pakistan sich das leisten?

Pelster: Es gibt bis heute mehrere Länder in denen die Todesstrafe existiert und vollstreckt wird: China ist ein Beispiel, Nordkorea ein weiteres und Pakistan zählt auch dazu. Es werden durchaus in Pakistan Todesurteile verstreckt, nur bislang nicht im Fall des Blasphemiegesetzes.

domradio.de: Auf der anderen Seite sind da die Extremisten, die eine Freilassung kaum akzeptieren würden. Was also ist das für ein Spannungsfeld, in dem sich die Richter da bewegen? 

Pelster: Also die Stimmung in Pakistan hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich verschärft. Vom Staat teilweise gefördert, beobachten wir eine starke Islamisierung des Landes. Die Stimmung ist aufgeheizt und extreme Strömungen des Islams haben an Gewicht gewonnen. Zum Teil sind es große Gruppen, die solche extremen Ansichten vertreten. Der Staat kann sich kaum erlauben gegen die Meinung der starken Gruppen islamistischer Strömungen zu agieren.

domradio.de: Das heißt also die Stimmung im eigenen Land wiegt mehr als internationales Image?

Pelster: Es findet sich in solchen Fällen kaum Richter und oder Rechtsanwälte, die es wagen, sich für diese beschuldigten Personen einzusetzen. Denn sie müssen immer damit rechnen, dass sie selbst Opfer von Terror und Gewalt werden. Sie handeln ja dann gegen deren Interessen.

domradio.de: Wir müssen - als Hintergrund - noch einmal kurz das Blasphemiegesetz erklären - denn das macht nicht nur Christen, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Minderheiten in Pakistan das Leben schwer... Was genau besagt es?

Pelster: Nicht nur den Minderheiten, auch den Muslimen selbst macht es das Leben schwer. Das Gesetz sieht vor, dass jemand, der den Koran unehrenhaft behandelt bestraft wird.

domradio.de: Unehrenhaft?

Pelster: Das ist zum Beispiel, wenn jemand den Koran in den Schmutz wirft oder Seiten herausreißt, was den Christen häufig vorgeworfen wird. Wer so etwas tut, der läuft Gefahr, dass er angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Denn das ist die Strafe, die das Strafgesetzbuch dafür vorsieht. Noch schlimmer ist es, sich in irgendeiner Weise kritisch oder negativ über den Propheten Mohamed zu äußern. Dafür verhängt das Gesetz die Todesstrafe.

domradio.de: Das heißt, wenn nur ein Nachbar mir vorwirft, ich hätte etwas gegen den Propheten gesagt, dann geht es mir gleich an den Kragen?

Pelster: Das Problem ist, dass solche Anschuldigungen sehr leicht erhoben werden können, aber nur sehr schwer wieder aus der Welt zu schaffen sind. Wenn einmal ein Gerücht existiert, dann ist die Polizei gezwungen einzugreifen. Jemand wird verhaftet und vor Gericht gestellt und dann kommt der verhängnisvolle Prozess in Gang, dass sich kaum einer mehr traut, wen freizusprechen. Selbst wenn er freigesprochen wird, kann es sein, dass er auf der Straße dafür von einem religiösen Eiferer hingerichtet wird.

domradio.de: Wie oft kommt es denn zu Blasphemie-Anklagen?

Pelster: Ich habe eine Studie gelesen. Demnach gab es 1.000 Fälle, die wegen Blasphemie angeklagt wurden. Darunter waren 60 Prozent Muslime, 30 Prozent Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinschaft, das ist aus Sicht der Mehrheit der Muslime eine häretische Strömung des Islams, und ungefähr zehn Prozent Christen. Wenn man sich aber anschaut, dass nur unter zwei Prozent Christen im Land leben, dann sind sie deutlich überproportional betroffen.

domradio.de: Welche Bedeutung hat der Entscheid der Richter am Donnerstag für die schwierige Lage der Christen im Land? 

Pelster: Also die Lage der Christen wird weiterhin schwierig bleiben. Sie sind eine kleine Minderheit, die eigentlich schutzlos im Land lebt. Sie werden oft diskriminiert und schikaniert. Sie haben nicht die gleichen Rechte, wie die Mehrheit der Muslime. Sie gehören zur unteren Gesellschaftsschicht. Sie haben keine Fürsprecher und Anwälte. Das müssen wir hier im Westen übernehmen. Wir hoffen, dass das Urteil günstig ausgeht.

domradio.de: Wie würde denn das Leben von Asia Bibi weitergehen, wenn der Prozess positiv für sie ausgehen würde?

Pelster: Wenn das Urteil gut ausgeht, wird sie nicht in Pakistan bleiben können, sie muss immer in Furcht und Angst weiterleben. Selbst wenn sie ins Ausland nach Europa oder die USA geht, wird sie im Verborgenen leben müssen, in ständiger Angst vor Extremisten. Wir stehen hier vor einer menschlichen Tragödie, die ausgelöst worden ist durch ihr mutiges Bekenntnis zu Jesus Christus.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 

Berthold Pelster, Kirche in Not / © Kirche in Not
Berthold Pelster, Kirche in Not / © Kirche in Not
Quelle:
DR