Katholische Unternehmer kritisieren Atom-Notfallplan

"Reservelösung der weniger guten Art"

Zwei Atomkraftwerke sollen bis April in Reserve gehalten werden, um einer möglichen Energieknappheit zu entkommen. Kritik kommt von der Union, der FDP und auch von Unternehmen. Der Bund Katholischer Unternehmer schließt sich da an.

Kühltürme eines Atomkraftwerks / © hxdyl (shutterstock)
Kühltürme eines Atomkraftwerks / © hxdyl ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ist es Robert Habeck nicht schon hoch anzurechnen, dass er gegen die grüne Ideologie handelt und die Atomkraftwerke bis zum Frühjahr mit einbezieht?

Ulrich Hemel, BKU-Vorsitzender / © Harald Oppitz (KNA)
Ulrich Hemel, BKU-Vorsitzender / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer): Doch, selbstverständlich. Er ist den richtigen Weg gegangen, nämlich eine Risikoanalyse zu machen und dann auch auf die Ergebnisse der Risikoanalyse zu hören. Das Ergebnis ist, dass zwei von den verbleibenden drei Kernkraftwerken erhalten bleiben, mindestens für diese Übergangszeit bis zum Ende dieses Winters.

DOMRADIO.DE: Wenn die Energie in Europa weiterhin so knapp ist, bedeutet das für viele sozial schwache Menschen, aber auch für Unternehmen, den Gürtel deutlich enger schnallen zu müssen. Könnte das durch eine Laufzeitverlängerung abgemildert werden?

Hemel: Nun ja, die Atomkraftwerke sorgen für einen gar nicht so kleinen Anteil an der Stromerzeugung in diesem Land: etwa sechs Prozent. Wenn Sie das mal auf die Bevölkerung bei 80 Millionen umrechnen, sind sechs Prozent fast fünf Millionen Menschen, um die es gehen würde.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass es Branchen gibt, die dringend auf Energie angewiesen sind. Die können ohne eine kontinuierliche Lieferung von Energie überhaupt nicht produzieren.

Das trifft Deutschland in einem Augenblick sehr stark, wo wir durch unterbrochene Lieferketten, durch die Inflation und durch die Unruhe in den Märkten sowieso schon sehr herausgefordert sind.

DOMRADIO.DE: Und wo ist da Ihre Kritik am Wirtschaftsminister?

Hemel: Die Maßnahme ist ein wenig halbherzig.

Prof. Ulrich Hemel

"Streckbetrieb muss nicht den Ausstieg aus der Atomkraft infrage stellen."

Wir hatten alle miteinander einen Streckbetrieb gefordert. Den gibt es jetzt, aber es gibt ihn sozusagen nur in der Reserve. Das bedeutet, die Menschen, die eigentlich ihre Beschäftigung verlieren würden, werden jetzt um einige wenige Monate verlängert.

Aber das ist natürlich eine Reservelösung der weniger guten Art und das in einer Zeit, in der andere Länder sogar ganz massiv in diese Energie hinein investieren, wo es auch technische und sicherheitsbetonte Fortschritte gibt. Das muss nicht den Grundkonsens des Ausstiegs aus der Atomenergie infrage stellen. Aber so wie die Maßnahme jetzt geplant ist, wirkt sie halbherzig.

DOMRADIO.DE: Was könnten Sie sich denn vorstellen? Wie lange müsste denn die Laufzeit verlängert werden, damit das in Ihren Augen was bringt?

Hemel: Das ist eine Frage, die schon technische Komponenten hat. Sie haben ja eine Abklingzeit, beispielsweise der Brennstäbe. Sie haben das Thema des Kühlwassers, Sie haben das Thema des qualifizierten Personals. Also da braucht man eine gewisse Vorbereitung und das ist eine der Schwierigkeiten, die wir jetzt haben.

Es hat schon ziemlich viel Zeit gebraucht. Wir haben die Ukrainekrise seit dem 24. Februar. Wir haben jetzt September. Und jetzt lernen wir nach vielen Diskussionen, dass zwei von drei Atomkraftwerken in der Reserve erhalten bleiben. Da ist eine vernünftige Planung für ein Unternehmen so gut wie gar nicht möglich. Das macht es schwer.

Prof. Ulrich Hemel

"Es wäre besser gewesen, den Betrieb bis zum April des nächsten Jahres komplett aufrecht zu erhalten."

Hier haben wir schlichtweg Zeit verloren. Das ist schade. Die jetzt aufzuholen, wird schwierig sein. Ich denke, man könnte sich überlegen, das einige wenige Monate länger zu machen.

Aber ich verstehe auch die Zweischneidigkeit der Diskussion. Denn Streckbetrieb heißt, dass es ein Ende hat. Es gibt aber auch viele Stimmen bei uns und auch in anderen Parteien, die sagen, dass die ganze Entscheidung neu auf den Tisch muss. Das ist wiederum ein Thema, das gesellschaftlich aufwühlt. Wir wollen letzten Endes regenerative Energien nach vorne bringen. Nach unserem Verständnis zählt die Atomkraft nicht dazu.

Dazu liegt auch die EU-Taxonomie vor, wo die Atomkraft als umweltfreundliche Energie angesehen wird, weil sie eben kein CO2 ausstößt.

Auf der anderen Seite sagen wir in Deutschland, dass dies eine sehr gefährliche Technologie ist. Wer hätte vor drei oder fünf Jahren gedacht, dass das größte Kernkraftwerk Europas, Saporischschja, plötzlich mitten im Kriegsgebiet liegt? Das ist eine ganz, ganz schwierige Diskussion. Da verstehe ich auch, dass diese Diskussion insgesamt nicht neu aufgemacht werden soll. Aber so, wie die Maßnahme jetzt ist, ist sie eben doch halbherzig. Es wäre in unseren Augen besser gewesen, den Betrieb bis zum April des nächsten Jahres komplett aufrecht zu erhalten und das frühzeitig genug anzukündigen.

DOMRADIO.DE: Wie versuchen Sie denn, als Bund katholischer Unternehmer auf die Politik einzuwirken, damit sie ihre Energiestrategie überdenkt?

Hemel: Wir führen Gespräche. Wir haben regelmäßige Kontakte auf den verschiedenen Ebenen. Das ist die kommunale Ebene vor Ort, das ist die landespolitische Ebene, aber auch die Ebene Bund.

Ich habe gerade gestern ein Gespräch mit einem Bundesministerium geführt. Wir finden auch Gehör. Aber wir sind natürlich eine von vielen Stimmen, die es da gibt. Und das ist auch richtig so.

Wir sind eine besondere Stimme, weil wir als Bund katholischer Unternehmer in vielen Fällen Auswirkungen merken. Das kriegen wir auch gespiegelt. Wir schauen über den Tellerrand und sind auch nicht einseitig in der Art und Weise festgelegt, dass jeder Gesprächspartner weiß, was wir sagen, bevor wir das Gespräch überhaupt geführt haben.

Das bedeutet, wir nehmen die Vielfalt bei unseren eigenen Mitgliedern ernst und spiegeln die dann auch oft in kreativen Vorschlägen mit den politisch Beteiligten.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Bund Katholischer Unternehmer

Dem 1949 gegründeten Bund Katholischer Unternehmer e.V. (BKU) gehören mehr als 1.100 Inhaber-Unternehmer, Selbstständige und leitende Angestellte an.

Der BKU ist in 34 Diözesangruppen gegliedert. In den Arbeitskreisen des Verbandes entstehen innovative Konzepte zur Wirtschafts- und Sozialpolitik und zur werteorientierten Führung.

Der BKU wirkt als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kirche und Politik. (BKU)

Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian (shutterstock)
Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian ( shutterstock )
Quelle:
DR