Welche Beziehungen hat der Vatikan zu Taiwan und China?

Diplomatischer Trumpf

Die Volksrepublik China ist aufgrund des Taiwan-Besuchs der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verärgert. China beansprucht Taiwan für sich. Aber welche Beziehungen hat der Vatikan eigentlich zu Taiwan?

Botschaft der Republik China (Taiwan) in Vatikanstadt / © Brooklyn99 (shutterstock)
Botschaft der Republik China (Taiwan) in Vatikanstadt / © Brooklyn99 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zunächst mal zur politischen Situation: Taiwan heißt eigentlich "Republik China auf Taiwan". Existiert also die alte Republik China, die es vor der kommunistischen Revolution 1949 gab, weiter? Das kann doch die Volksrepublik China nicht so gut finden.

Katharina Wenzel-Teuber (China Zentrum Sankt Augustin, Chefredakteurin der Zeitschrift China heute): Die Kommunisten haben den Bürgerkrieg ja 1949 gewonnen und Mao hat die Volksrepublik ausgerufen. Aber es ist ihnen damals nicht gelungen, das komplette Territorium zu besetzen. In Taiwan, einer Provinz Chinas damals, konnte sich die Regierung der früher schon existierenden Republik China unter Partei der Nationalisten mit dem Militär und so weiter zurückziehen und dort halten und das auch fortführen.

In den Folgejahren haben auch die westlichen Staaten großenteils ihre diplomatischen Beziehungen mit der Republik China auf Taiwan fortgeführt. Das hat sich erst in den 1970er-Jahren nach und nach geändert. Zum Beispiel hat die Bundesrepublik Deutschland erst seit 1972 diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China.

Katharina Wenzel-Teuber (China Zentrum Sankt Augustin, Chefredakteurin der Zeitschrift China heute)

"Es gab auch viele Konflikte, zum Beispiel um die Frage der Bischofsernennungen."

DOMRADIO.DE: 1951 ist der vatikanische Nuntius aus der Volksrepublik China ausgewiesen worden, ist nach Taipeh auf Taiwan gegangen, und der Vatikan hat also Stellung bezogen und die Beziehungen zur alten Republik China auf Taiwan aufrechterhalten?

Taipeh, Hauptstadt von Taiwan (shutterstock)

Wenzel-Teuber: Es blieb ihm ja nichts anderes übrig. Man muss sagen, in diesem Fall haben wirklich die Volksrepublik China und die Kommunisten die Beziehungen abgebrochen, indem sie den Nuntius ausgewiesen haben. Da war es dann konsequent, die Nuntiatur nach Taipeh zu verlegen, wo sie bis heute ist.

Warum der Vatikan nicht den Schritt gemacht hat, wie viele andere Staaten die Beziehungen dann auf die Volksrepublik zu übertragen, liegt auch daran, dass die Volksrepublik niemals den Papst als das Oberhaupt der chinesischen Katholiken anerkannt hat. Es gab auch viele Konflikte, zum Beispiel um die Frage der Bischofsernennungen. Deswegen kamen da diplomatische Beziehungen zunächst nicht infrage, obwohl es seit Papst Johannes Paul II. auch immer wieder Kontakte und Gespräche gab mit Peking.

Katharina Wenzel-Teuber (China Zentrum Sankt Augustin, Chefredakteurin der Zeitschrift China heute)

"Außerdem sind die Beziehungen zu Taiwan eigentlich noch der letzte Trumpf, den der Vatikan auch gegenüber Peking noch in der Hand hat."

DOMRADIO.DE: Jetzt wird oft gefordert, der Vatikan solle seine Nuntiatur, also seine Beziehungen zur Republik China auf Taiwan abbrechen. Wie schätzen Sie das ein? Wird der Vatikan das machen, auch um die Beziehungen zur Volksrepublik China zu verbessern?

Wenzel-Teuber: Ich denke, der Vatikan würde es machen, wenn er eine echte Verbesserung der Situation der Kirche dort sehen würde. Aber ich glaube, dass er das im Moment wohl nicht machen wird. Man muss vielleicht noch erklären: 2018 hat der Vatikan mit Peking ein vorläufiges Abkommen über Bischofsernennungen geschlossen. Das Abkommen ist ein Thema für sich. Wie das läuft, ist auch relativ umstritten. Es läuft wohl nicht so ganz glatt, aber dieses Abkommen steht im Oktober diesen Jahres zur Verlängerung an. Der Inhalt des Abkommens und auch die Verhandlungen sind geheim, man weiß also nicht, was da im Einzelnen verhandelt wird. Es ist aber schon durchgesickert, dass natürlich Peking möchte, dass der Vatikan die Beziehungen zu Taiwan abbricht. Denn der Vatikan ist einer von 14 verbliebenen diplomatischen Verbündeten, die Taiwan überhaupt noch hat auf der Welt.

Ich glaube aber, in der gegenwärtigen Situation würde die Regierung dem Vatikan, selbst wenn er eine Nuntiatur in Peking haben könnte, sicher nicht erlauben, dass er da direkte Beziehungen zur Kirche in China pflegen kann. Außerdem sind die Beziehungen zu Taiwan eigentlich noch der letzte Trumpf, den der Vatikan auch gegenüber Peking noch in der Hand hat. Deswegen würde ich vermuten und eigentlich auch hoffen, dass er das unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht macht. Denn das wäre natürlich für Taiwan im Moment sehr schlecht, wenn es diesen wichtigen diplomatischen Verbündeten verlieren würde.

Und Taiwan hat sich ja seit den 1990er-Jahren zu einer wirklichen Musterdemokratie entwickelt. Das Land ist auf den Demokratie-Index des Economist auf Platz elf (im Jahr 2020, d. Red.; für das Jahr 2021 sogar auf platz acht) weltweit, also noch vor Deutschland. Und ich wünsche sehr, dass für Taiwan seine Freiheit und auch der Frieden erhalten bleiben kann.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Zahlen zur katholischen Kirche in China

Das kommunistisch regierte Riesenland China ist multireligiös. Laut dem China-Zentrum in Sankt Augustin bei Bonn sind seine fünf offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften der Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Von den 1,4 Milliarden Chinesen sind rund 185 Millionen Buddhisten, etwa 23 Millionen zählen sich zum Islam, zum Protestantismus ca. 38 bis 60 Millionen; ca. 10 Millionen sind Katholiken. Die Zahl der Anhänger des Daoismus ist nicht feststellbar.

Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie (KNA)
Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie ( KNA )
Quelle:
DR
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