Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Hören wir einander zu!

Der letzte Freitag war ein strahlend schöner Tag, was man sich nach gefühlt einer vollen Regenwoche gar nicht mehr vorstellen konnte. Am Abend nach der Vesper bin ich also mit meiner Mitschwester in unser Gärtchen auf der Mauer gegangen, um ein ganzes Stück umzuhacken, Unkraut zu jäten und mit Sommerblumen einzusäen. Direkt neben unserem Garten ist der Engelsturm, einer von noch zwei Wehrtürmen der Stadtmauer, die noch da sind. Dieses Areal um den Turm ist sehr beliebt bei Jugendlichen, die sich da treffen und sich unbeobachtet fühlen.

Da stand also schon eine ganze Truppe Jungs, die natürlich nicht so toll fanden, dass wir da jetzt arbeiten wollten. So sind sie zwei, drei und auch vier Runden ums Karree gelaufen, immer in der Hoffnung, dass wir dann weg sind. Aber wir waren immer noch da. Und auf einmal, was noch nie passiert ist, kamen sie an den Zaun zu uns. Und einer, der Anführer der Truppe hat gefragt, ob sie denn mal was fragen dürften. Natürlich durften sie. Die Einstiegsfrage ging darum, was wir vom Kopftuchverbot hielten, wahrscheinlich, weil wir ja auch quasi Kopftücher tragen.

Und nach dem ersten Geplänkel, um zu testen, wie wir so ticken, ging es dann um alles: um Gott und die Welt, um die Türkei und Deutschland, um den Konflikt in Israel und den Palästinensergebieten, um Hoheitsrechte eines Staates, um freie Religionsausübung und so weiter. Ich fand es ein tolles Gespräch und nebenbei, mal ich mal meine Mitschwester, haben wir weiter gehackt, gejätet, geharkt und dann auch die Sommerblumen eingesät.

Nach mehr als einer Stunde intensiven Gesprächs haben sie sich verabschiedet. Sie sind Schüler des Berufskollegs und machen Wirtschaftsabitur, also schon kluge junge Leute. Man spürte schon sehr deutlich, wes Geistes Kinder sie waren und die Indoktrinierung aus dem Heimatland der Eltern war ziemlich stark. Aber am Ende haben wir alle, die Truppe junger Männer und wir beiden Schwestern, sehr gespürt, wie toll es ist, einander zuzuhören, Argumente auszutauschen, die jeweils andere Seite anzuschauen und auch die eigenen Festlegungen abzuklopfen. Es war belebend und wohltuend. Und kurz bevor sie die Treppe nach unten weggegangen sind, meinte quasi ihr Sprecher: „Wow, sie haben so nebenbei richtig was geschafft“. Ich habe mich gefreut und hoffe ein bisschen, dass er nicht nur das frisch eingesäte Blumenbeet meinte.

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