Erzbischof Zollitsch: Eine Pflicht zu helfen

"Schon zu viele Christen sind ermordet worden"

Die katholische Kirche hat die Politik zur raschen Aufnahme irakischer Flüchtlinge aufgefordert. "Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen zu helfen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Samstag in Bonn. Die Politik dürfe keine Chance verstreichen lassen, wo sie verfolgten und heimatlos gewordenen Menschen beistehen könne. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte ein sofortiges Handeln der Bundesregierung und warf ihr eine "Hinhaltetaktik" vor.

 (DR)

Zollitsch nannte es bedauerlich, dass sich die Innen- und Justizminister der Europäischen Union bislang nicht auf eine Regelung für verfolgte religiöse Minderheiten aus dem Irak geeinigt hätten. Als erfreulich bewertete er die Resolution des Bundestags-Menschenrechtsausschusses vom Freitag. Die Abgeordneten von Union, SPD und Grünen hatten die Regierung zur sofortigen Aufnahme von Flüchtlingen aufgefordert.

ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer sagte der KNA, angesichts der erneuten Eskalation mörderischer Gewalt gegen Nichtmuslime und gerade gegen Christen im Irak könne die Regierung nicht weiter zuschauen. "Schon zu viele Christen sind ermordet worden."

Der ZdK-Präsident betonte, selbstverständlich könne niemand ein Interesse daran haben, dass der Irak, eine der ältesten Stätten christlichen Lebens, von allen Christen verlassen werde. Die Bundesregierung müsse jedoch für jene sorgen, die schon auf der Flucht seien und keine Rückkehrperspektive hätten. Außerdem solle Berlin bei der irakischen Führung auf einen besseren Schutz der Christen drängen. Deutschland und andere europäische Staaten sollten sofort irakische Flüchtlinge aufnehmen.

Nicht den November abwarten
Die Bundesregierung solle nicht die Beratungen Ende November in Brüssel abwarten, sagte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten. Zugleich warnte er vor einem Exodus der Christen aus dem Irak. Die internationale Staatengemeinschaft sei aufgefordert, den dort verbliebenen Christen zu helfen und die Führung des Landes zu entsprechendem Engagement zu drängen.

Trotz der Forderungen aus Bundestag und Kirche will die Bundesregierung die Entscheidung der EU-Innenminister Ende November abwarten. Der Sprecher des Innenministeriums, Stefan Paris, verwies am Freitag in Berlin auf die für Anfang November geplante Reise einer Expertenkommission der EU nach Amman und Damaskus. Auf Grundlage ihres Berichts solle der EU-Ministerrat dann seine Entscheidung über eine Aufnahme treffen.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR stellten Iraker in der ersten Jahreshälfte 2008 die meisten Asylanträge in den westlichen Industriestaaten. Von insgesamt rund 19.500 Anträgen seien 60 Prozent in vier Ländern verzeichnet worden. An erster Stelle stand demnach Schweden, gefolgt von Deutschland, der Türkei und den Niederlanden. Die Lage der irakischen Christen in Mossul bezeichnete das UNHCR am Freitag als besorgniserregend. Mehr als 1.500 Familien und damit die Hälfte der christlichen Bevölkerung hätten die Region aus Angst vor Anschlägen bislang verlassen.