Synodale bestreitet schlechte Dialogkultur bei Reformtreffen

"Emotionalisierung bringt Debatte in Schwung"

Auf den Synodalversammlungen gab es viel Raum für offene Gespräche, so die junge Synodale Melanie Giering. Die von einigen Ex-Synodalen kritisierte Emotionalisierung bewertet sie als wichtig – sie fördere das gegenseitige Verständnis.

 © Melanie Giering  (privat)
© Melanie Giering ( privat )

DOMRADIO.DE: In den vergangenen Tagen haben vier wichtige Frauen und auch der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken den Synodalen Weg verlassen. Picken sagt, dass nur wenig Dialogbereitschaft beim Reformprozess da ist. Wie nehmen Sie das denn als junge Synodale wahr? Ist das wirklich so?

Melanie Giering (junge Synodale): Ich nehme das ehrlich gesagt ganz anders wahr. Ich finde, dass die Dialogbereitschaft auf allen verschiedenen Seiten sehr hoch ist und wir auch viel Raum hatten für Dialog. Viele Menschen haben den genutzt, einige aber auch nicht. Vielleicht ist es eher problematisch wenn Menschen nicht bereit sind, in den Dialog zu treten oder ihre Meinung zu äußern.

DOMRADIO.DE: Ähnlich wie der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken begründet auch die Ex-Synodale Dorothea Schmidt ihren Ausstieg. Sie kritisierte im DOMRADIO.DE-Interview ein Entfernen von der Weltkirche und zu viel Emotionalisierung. Emotionalisierung ist bei den Themen, die diskutiert werden, nicht einfach auszublenden. Es geht um Unterdrückung und auch darum nicht verstanden zu werden. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Synodale Melanie Giering

"Kirche und alles, was damit einhergeht, ist eben sehr emotional und das darf auch ruhig gezeigt werden."

Giering: Ich glaube, dass Emotionalisierung nicht vermeidbar ist bei diesen Themen. Ich glaube auch, dass sie wichtig ist, weil nur so die verschiedenen Seiten die unterschiedlichen Meinungen und Anliegen verstehen können. Durch die Emotionalisierung kann man sich besser in die Standpunkte hineinversetzen. Und ich glaube, Kirche und alles, was damit einhergeht, ist eben sehr emotional und das darf auch ruhig gezeigt werden. Im Endeffekt bringt es diese Debatte vielleicht auch ein bisschen in Schwung.

Menschen halten offene Regenschirme in der Farbe pink, die handschriftlich mit Protestparolen beschriftet sind, während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Menschen halten offene Regenschirme in der Farbe pink, die handschriftlich mit Protestparolen beschriftet sind, während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Eine Sache, die Schmidt auch angesprochen hat, ist zum Beispiel diese Szene: "Wenn sich Bischof Rudolf Voderholzer nur erhoben hat, um zu sprechen, haben nicht wenige im Saal rote Karten in die Luft gehoben, um ihre Missbilligung für das zu zeigen, was er sagen wird." Wahrscheinlich erinnern Sie sich auch an die Szene oder waren dabei. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Giering: Also ich kenne die Szene mit den roten Karten. Dass die jetzt hochgehalten wurden, nur weil sich Menschen erhoben haben, daran kann ich mich, ehrlich gesagt, nicht erinnern und das kann ich mir auch nicht vorstellen. Aber natürlich wurden die roten Karten schon genutzt, die wurden vom BDKJ ausgeteilt. Wenn Menschen sich in einer menschenfeindlichen und diskriminierenden Art und Weise geäußert haben, dann habe ich es als sehr wertvoll empfunden, dass man durch diese rote Karte eine Möglichkeit hatte, seinen Unmut zu äußern, ohne "Buh" zu rufen. Insofern glaube ich, dass rote und grüne Karten sehr gut waren, um eine demokratische Atmosphäre mit in diesen Versammlungsraum zu nehmen.

Synodale Melanie Giering

"Am Ende des Tages komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass es trotzdem weiterhin wichtig ist, sich einzubringen, zu kämpfen und sich zu engagieren."

DOMRADIO.DE: Aus dem Vatikan kommt immer wieder Gegenwind für den Synodalen Weg. Jetzt gab es ein Veto gegen die Gründung von synodalen Räten. Entmutigt Sie und auch Ihre Kollegen und Kolleginnen das?

Giering: Das sind schon sehr schwere Steine, die einem da in den Weg gelegt werden. Und es ist immer wieder schwierig, den Mut nicht zu verlieren und sich daran zu erinnern warum man das eigentlich macht. Aber am Ende des Tages komme ich persönlich immer wieder zu dem Schluss, dass es trotzdem weiterhin wichtig ist, sich einzubringen, zu kämpfen und sich zu engagieren. Und dass die Steine nicht so groß sein können, dass man davor zurückschrecken sollte oder aufhören sollte für diese Kirche und die Menschen in der Kirche zu kämpfen. Uns geht es ja darum, einen diskriminierungsfreien und offenen, menschennahen Raum für alle zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Mit welchen Gedanken gehen Sie denn jetzt in die letzte Synodalversammlung ab dem 9. März?

Giering: Ich bin, so wie bei den vorherigen Synodalversammlungen, auch vorsichtig gespannt, auf das was auf mich zukommen wird. Ich erlebe die Atmosphäre als sehr besonders. Dass man mit vielen unterschiedlichen Menschen dort tolle Gespräche führen kann, darauf freue ich mich sehr. Aber es ist auch immer wieder sehr emotional, herausfordernd und anstrengend, sich anderen und gegenteiligen Meinungen zu stellen und die Standpunkte zu diskutieren. Es kann auch sehr schwierig sein, sich überhaupt anhören zu müssen, was Menschen in dieser Kirche zum Teil für Standpunkte haben.

Ich bin sehr gespannt, wie es wird. Es ist ja nun auch die letzte Versammlung und ich hoffe, dass wir mit dieser Versammlung den Synodalen Weg zu einem "Abschluss" bringen, aber auch nur mit dem Ausblick, dass es weitergehen muss mit der Synodalität.

Das Interview führte Michelle Olion

Synodaler Prozess

Was bedeutet Synodalität?

Synodalität bezeichnet den besonderen Stil, der das Leben und die Sendung der Kirche kennzeichnet und ihr Wesen als Volk Gottes zum Ausdruck bringt, das gemeinsam unterwegs ist und sich versammelt, berufen vom Herrn Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes, das Evangelium zu verkünden. Die Synodalität sollte in der gewöhnlichen Lebens- und Arbeitsweise der Kirche zum Ausdruck kommen.

Symbolbild Hände / © Rawpixel.com (shutterstock)
Quelle:
DR