Wie viel Digitalität braucht Glaubensvermittlung?

Von medialen Begegnungen

Die Pandemie brachte viele Angebote der Kirche ins Digitale. Pfarrer Hanno Rother wird auf dem Katholikentag über Glaube im Netz sprechen und ist der Meinung, digitale Angebote brauchen auch Interaktionsmöglichkeiten.

Mann mit Kreuz in der Hand betet vor einem Computerbildschitm / © Streetcats Studio (shutterstock)
Mann mit Kreuz in der Hand betet vor einem Computerbildschitm / © Streetcats Studio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Ökumenische Kirchentag im vergangenen Jahr wurde digital durchgeführt. Frankfurt am Main konnte man also sowohl vom PC aus erleben als auch vor Ort. In Stuttgart wird es wieder live zugehen. Aber es wird auch vieles gestreamt, als Aufzeichnung im Internet oder es wird vieles in der Katholikentags-App abrufbar sein. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die digitale Präsenz des Katholikentags?

Hanno Rother (Pfarrer in der Kirchengemeinde Liebfrauen in Recklinghausen und im Internet aktiv als "@Kirchendude"): Ich glaube, das ist aus der heutigen Welt überhaupt nicht mehr wegzudenken, dass das Ganze auch im Digitalen stattfindet. Ich glaube, dass wir an hybriden Veranstaltungen überhaupt nicht mehr vorbeikommen, einfach weil Digitalität zu unserem Leben dazugehört – nicht mehr nur bei einer jungen Generation, sondern selbst bei meinen Eltern ist ja das Smartphone nicht mehr wegzudenken und die sind im Ruhestand.

Also insofern ist Digitalität Teil unseres Lebens. Wenn Glaube auf alle Teile des Lebens Auswirkungen haben darf und soll, dann ist auch Digitalität bei uns im Glauben am richtigen Platz. Wenn ein so riesiges Treffen veranstaltet wird, irgendwo in Deutschland, dann ist es doch toll, wenn Menschen auch an anderen Flecken Deutschlands und der Welt mit teilnehmen können.

DOMRADIO.DE: Bestimmte Begegnungen kann man nur vor Ort erleben. Das digital zu transportieren ist ja noch nicht so einfach. Welche Alternativen könnte man den Gläubigen zu Hause zukünftig bieten, sich einzubringen?

Rother: Also es ist natürlich immer eine Frage und es ist komplexer umzusetzen. Aber fast alle unserer sozialen Medien, aber auch Internetportale, haben eigentlich auch Rückkanäle mit eingebaut. Also wer sich mal ein Video per Youtube live angeschaut hat, wird sehen, das eigentlich immer auch die Möglichkeit zu einer Beteiligung am Chat dabei ist, also dass man einfach einen Kommentar auch schon live dazu schreiben kann. Das sind an und für sich technisch relativ einfach eingebaute Rückkanäle.

Das lohnt sich und das kann man auch nutzen. Bei den digitalen Veranstaltungen auf dem Katholikentag werden die auch genutzt werden. Man kennt das noch von früher, von den Podien. Da sitzen drei, vier Leute auf der Bühne und debattieren. Dann gibt es die sogenannten Anwälte und Anwältinnen des Publikums, die Fragen einsammeln aus dem Publikum und diese dann stellen. Diese Fragen könnten ja auch digital eingereicht werden. Warum denn nicht?

Hanno Rother

"Ich halte nichts davon, dass wir uns einfach in das natürliche Habitat der Jugendlichen einschleichen und deren Plattformen kapern."

DOMRADIO.DE: Eine neue Studie besagt mehr als 50 Prozent der Jugendlichen sind nicht mehr an Gott interessiert. Aber gerade diese Generation ist es ja, die bei TikTok, Instagram und Co. medial unterwegs ist. Der Jugendbischof Johannes Wübbe sagte, Kirche müsse die Sprache der Jugendlichen sprechen. Wie soll die Kirche das denn machen?

Rother: Ich halte nichts davon, dass wir uns einfach in das natürliche Habitat der Jugendlichen einschleichen und deren Plattformen kapern. Das ist immer sehr schwierig, finde ich. Also warum erreicht man keine Jugendlichen mehr bei Facebook? Ja, weil deren Großeltern da schon mittlerweile vernetzt sind. Aber es ist trotzdem, glaube ich, wichtig, dass wir mit ansprechenden Menschen schon die Möglichkeit nutzen, auch über diese Kanäle zu den Jugendlichen zu sprechen. Wirklich zu gucken, haben wir denn jemanden, der bei TikTok beispielsweise spannende Sachen machen kann? Welchen Weg kann ich nutzen? Welche Plattform kann ich nutzen, um die Botschaft, die wir ja haben, zeitgemäß zu transportieren.

Ich kann ja mitteilen, wie mich der Glaube gerade bewegt und wie das passiert, während ich mit einem schönen Kaffee in der Sonne auf der Terrasse sitze, warum ich da irgendwie an meinen Glauben und an Gott denke. Vielleicht ist auch das Interesse noch mal wieder anders da, weil es nicht nur darum geht, was hat denn der Pfarrer am Sonntag in der Predigt von der Kanzel gesagt.

Hanno Rother

"Ich spreche nur von digital, das ist nämlich nicht virtuell, sondern das ist auch eine echte Begegnung."

DOMRADIO.DE: Haben Sie Sorge, dass die Kirchen bald leer sind und die Leute nur noch zu Hause sitzen und sich den Gottesdienst dann im Stream anschauen?

Rother: Ich wüsste nicht, warum ich davor Sorge haben sollte. Also erstens gibt es ja immer noch die Leute, die gerne vor Ort zusammenkommen und das ist auch eine Erfahrung, insbesondere nach dem ersten Lockdown 2020 im März und folgende, dass sich da ja Menschen danach gesehnt haben, endlich wieder zusammenkommen zu können. Da hat man gemerkt, als die ersten Gottesdienste wieder stattfanden, dass Leute wirklich aufgeatmet haben, dass sie wieder in die Kirche kommen durften. Es gibt auch diejenigen, die weggeblieben sind, das weiß ich. Aber diese Versammlung, glaube ich, geht insofern nicht verloren.

Aber ich habe auch gar keine Angst davor, wenn wir auch rein digitale Geschichten machen und uns rein digital vernetzen. Ich spreche nur von digital, das ist nämlich nicht virtuell, sondern das ist auch eine echte Begegnung. Das kenne ich durchaus von Streams, wo ich Menschen kenne, denen ich noch nie im Leben begegnet bin, aber von denen ich eine ganze Menge weiß, was sie bewegt, was sie gerade erlebt haben, wo gerade ihre Schwierigkeiten im Leben sind, wo sie gerne Begleitung haben möchten, aber auch, worüber sie sich freuen. Und das kann auch über soziale Medien funktionieren und in dem Sinne sind sie dann auch echte soziale Medien, weil man Anteil aneinander nehmen kann.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Quelle:
DR
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