Unionsfraktionschef Kauder kritisiert Türkei für Umgang mit Christen

Eine Religion austrocknen

Am Donnerstag debattiert der Bundestag über mehrere Anträge, die auf stärkeren Schutz der Religionsfreiheit weltweit drängen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder bemängelt im Interview unter anderem den Umgang der Türkei mit den christlichen Kirchen.

 (DR)

KNA: Herr Kauder, die Koalitionsfraktionen thematisieren in einem gemeinsamen Antrag die Religionsfreiheit. Wo sehen Sie derzeit die größte Herausforderung?
Kauder: Die Religionsfreiheit ist ein international garantiertes Menschenrecht. Dennoch ist sie in über 60 Ländern der Welt, in denen auch noch fast 70 Prozent der Erdbevölkerung leben, eingeschränkt.

Das ist schlimm genug. Aber noch mehr muss uns alarmieren, dass wiederum die Christen darunter die wohl am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft sind. Christen müssen in vielen Regionen der Welt um Leib und Leben, ihr Hab und Gut fürchten. Ich denke nur an Nigeria, wo vor einigen Monaten Tausende von Christen getötet wurden. Wir Christen müssen solche Menschenrechtsverletzungen an Christen noch klarer benennen!

KNA: Sie selbst haben sich vor einigen Wochen erneut mit der Frage der Religionsfreiheit in der Türkei befasst...
Kauder: Hier findet keine offene Verfolgung statt. Die Glaubensfreiheit wird nach den Berichten, die ich erhalten habe, aber auf andere Art untergraben. So wird anscheinend in Pässen die Glaubenszugehörigkeit vermerkt, mit der Folge, dass Christen nur schwer einen Arbeitsplatz finden. Christlichen Minderheiten ist auch nicht gestattet, im Land ihren Priesternachwuchs auszubilden. So kann ein Staat natürlich auch eine Religion austrocknen. Das ist inakzeptabel. Ein Land, das nach Europa will, muss sich hier wandeln. Wir garantieren in Deutschland - natürlich zu Recht - auch die Religionsfreiheit der Muslime.

KNA: Derzeit sprechen einige Experten sogar davon, dass es weltweit selten mehr religiöse Verfolgung gab als heute. Worin sehen Sie Gründe?
Kauder: Es gibt mehrere Gründe. Religion und Nationalismus gehen oft eine unheilvolle Allianz ein. Erinnern Sie sich an die Balkan-Kriege in Europa nach dem Zerfall Jugoslawiens. Auch für einige junge Staaten, die aus den ehemaligen Kolonialreichen entstanden sind, ist die Religion das nationale Band. Die Bevölkerungsteile, die sich aber nicht dazu bekennen, werden dann ausgegrenzt und verfolgt. Oft wird das von den Staaten selbst betrieben oder sie schützen ihre Bürger nicht ausreichend vor Verfolgung. Das ist zum Beispiel in einigen Regionen Indiens zu beobachten. Und dann gibt es noch das alte Phänomen: Der nicht der Mehrheit angehört, wird leichter zur Zielscheibe für Ausgrenzung, wo eigentlich vor allem Neid dahinter steckt.

KNA: Kann die Politik in Zeiten der Globalisierung mehr für die Religionsfreiheit weltweit tun - oder stehen bei wichtigeren Staaten, zum Beispiel China oder die Türkei, nicht doch immer wirtschaftliche Interessen im Vordergrund?
Kauder: Wer eine von Werten geleitete Außenpolitik betreibt, kann zu den Einschränkungen der Religionsfreiheit nicht schweigen. Und ein Unions-Politiker, der sich dem «C» verpflichtet fühlt, zur Einschränkung der Religionsfreiheit schon gar nicht. In unseren Gesprächen muss das ständig auf den Tisch. Ich mache das seit Jahren. Ich glaube, ich habe den deutschen Interessen damit nicht geschadet. Im Gegenteil: Nur wer seine Werte verteidigt, wird auch in der Welt ernst genommen. Auch gerade übrigens in China.

KNA: Was erwarten Sie dabei vom Auswärtigen Amt und den diplomatischen Vertretungen Deutschlands?
Kauder: Ich bin Außenminister Guido Westerwelle sehr dankbar, dass auch er sich des Themas angenommen hat. Das war bei seinen Vorgängern leider nicht so sehr der Fall. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit muss aus meiner Sicht die Beachtung der Religionsfreiheit immer ein Maßstab sein. Und bei Staaten, die diese mit Füßen treten, muss die Zusammenarbeit dann auf den Prüfstand gestellt werden. Zur guten Regierungsführung, die wir von unseren Partnerländern zu Recht fordern, gehört auch die Beachtung der Religionsfreiheit. Ganz eindeutig!

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