Tagung zur Zukunft christlicher Gotteshäuer

Zu Aldi, in die Kirche?

Was wird aus christlichen Gotteshäusern, wenn die Christen ausbleiben? Mit dieser Frage beschäftigt sich gerade eine Konferenz in Weimar. Die diskutierten Vorschläge und Vorstellungen sind unterschiedlich. Sicher ist: Es muss sich etwas tun. Vor allem im Ostendeutschland.

 (DR)

Vielen Kirchengebäuden in Deutschland droht nach Ansicht des Kirchenexperten Manfred Keller Abriss oder Fremdnutzung. "Ein Drittel der Gotteshäuser ist eigentlich überflüssig", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Evangelischen Akademikerschaft der Nachrichtenagentur ddp.

"Es gibt insgesamt 45 000 evangelische und katholische Gotteshäuser im Land, davon 40 Prozent in Ostdeutschland", sagte Keller. Aber nur noch acht Prozent der Kirchenmitglieder lebten in den neuen Bundesländern. Die Zahl nehme weiter ab, ein Trend, der ganz Deutschland betreffe. Im Vergleich zu 1980 werde sich bis 2030 die Mitgliederzahl in den Gemeinden halbieren. Deshalb falle es in vielen Orten schwer, die bedrohten Kirchen weiter zu öffnen und damit vor dem Verfall zu bewahren.

Einen Ausweg sieht der Bochumer Kirchenfachmann in einer anderen Nutzung der Gebäude. Die Kirchen seien oft die interessantesten Bauwerke im Ort und besäßen für die Bevölkerung einen hohen Identitätswert. Deshalb sei es selbst in kleinen Dörfern möglich, mit den Einwohnern über mögliche Alternativen zu sprechen. Die Räumlichkeiten könnten für Ausstellungen, Konzerte, Ratsitzungen, Versammlungen, Übernachtungen oder als Bibliotheken genutzt werden. Der Kirchgemeinde stehe das Gebäude damit weiterhin für Gottesdienste zur Verfügung.

Staatssekretär: Kirchen nicht voreilig abreißen
Der Staatssekretär im Bundesbauministerium, Engelbert Lütke Daldrup, warnte in Weimar vor einem übereilten Abriss ungenutzter Kirchen gewarnt. Die Gemeinden sollten zuvor immer die Möglichkeit einer Stilllegung erwägen, sagte Lütke Daldrup. Er wandte sich auch gegen eine völlig kirchenferne Nutzung. Einen Kirchenraum mit angeschlossener Aldi-Filiale könne er sich nur schwer als Gewinn vorstellen.

Lütke Daldrup rief die Kirchen zugleich zur Suche nach neuen zusätzlichen Nutzungsformen ihrer Sakralbauten auf. Dabei müsse auch die nichtkirchliche Öffentlichkeit in den Städten und Gemeinden frühzeitig einbezogen werden. Als Beispiel nannte er eine Nutzung als Bibliothek, Bildungsstätte oder Treffpunkt. Wenn dies nicht gelänge, drohe in Tausenden Städten und Stadtteilen der Verlust baulicher und sozialer Haltepunkte. Kirchenbauten könnten als öffentliche Räume ein Gegengewicht zur Privatisierung von Bahnhöfen, Einkaufszentren und ganzen Plätzen bilden. Ihre Zukunft sei deshalb nicht nur ein Liegenschaftsproblem der Kirchen.

"Architektonische Perlen"
Der Staatssekretär wandte sich dagegen, einen historisierenden Stil oder Patina der Jahrhunderte zum einzigen Maßstab für die Erhaltung von Kirchen zu machen. Auch viele nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Bauten sei "architektonische Perlen", die allgemein zu wenig geschätzt würden.

Auf der Fachkonferenz an der Bauhaus-Universität in Weimar diskutieren noch bis Samstag etwa 250 Baufachleute und Kirchenvertreter über die Möglichkeiten zur erweiterten Nutzung der Andachtsorte.