NRW-Regierung will Expertenrat und Gespräche mit der Ditib

"Austausch auf Augenhöhe"

Der Austausch zwischen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und den Muslimen ist oft holprig, mit der Ditib spricht die Regierung gar nicht mehr. Das soll sich nun ändern.

DITIB-Zentralmoschee in Köln  / © Rolf Vennenbernd (dpa)
DITIB-Zentralmoschee in Köln / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Bei ihrer Zusammenarbeit mit den Muslimen will die nordrhein-westfälische Landesregierung neue Wege gehen. Neben klassischen islamischen Organisationen wie dem umstrittenen deutsch-türkischen Moscheeverband Ditib sollen erstmals auch liberale muslimische Gemeinden und Zusammenschlüsse in den interreligiösen Dialog eingebunden werden.

Kopftuchtragen von Mädchen auf Agenda

Der Neuanfang soll am 1. Juli im Integrationsministerium gemacht werden. In einer Plenarsitzung werden die unterschiedlichsten Islam-Repräsentanten einen "Expertenrat" wählen, der die Landesregierung künftig in wichtigen religiösen und kulturellen Fragen beraten soll.

Serap Güler / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Serap Güler / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Auf der Agenda stünden der Aufbau muslimischer Wohlfahrtsorganisationen ebenso wie das Kopftuchtragen von Mädchen in Kitas und Schulen, erläutert Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das muslimische Engagement solle "anerkannt, sichtbar gemacht und nachhaltig gefördert" werden.

Zugleich wolle die Landesregierung mit den neuen Dialogformaten innerislamischen Debatten Raum geben, "ohne diese zu bestimmen", wie Güler betont. "Das wird ein Austausch auf Augenhöhe." Themen wie das Verhältnis von Mann und Frau im Islam oder der Umgang von Muslimen mit Homosexualität will Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) auf die Tagesordnung setzen.

Joachim Stamp / © Guido Kirchner (dpa)
Joachim Stamp / © Guido Kirchner ( dpa )

"Das sind Nationalisten, aber keine Extremisten"

Bisher scheinen sich alle maßgeblichen Verbände und Akteure auf diese Neuausrichtung der Dialogarbeit eingelassen zu haben. Größter Streitpunkt war im Vorfeld die Teilnahme der Ahmadiyya-Gemeinschaft. Deren Lehre wird von den meisten Muslimen als Häresie betrachtet. Die Ahmadiyya sind in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.

Darauf warten bisher Verbände wie die Ditib vergeblich. Seit Einführung des muslimischen Religionsunterrichts 2011 überprüft die Staatskanzlei, ob es sich bei der Ditib und drei weiteren islamischen Verbänden um Religionsgemeinschaften handelt. Derzeit holt die Landesregierung noch ein "religionssoziologisches Gutachten" ein. Nach Spionagevorwürfen und Kriegspropaganda ruht seit 2016 die Kooperation des Landes mit der Ditib beim muslimischen Religionsunterricht, der Gefängnisseelsorge und der Salafismus-Prävention.

Im Landtag haben führende Vertreter von CDU, SPD und Grünen eine Beobachtung des Moscheeverbandes durch den Verfassungsschutz gefordert. Doch bisher woll dieser die Ditib offiziell nicht als Beobachtungsobjekt einstufen. "Das sind Nationalisten, aber keine Extremisten", lautet der Tenor bei den Sicherheitsbehörden in fast allen 16 Bundesländern. Gegenwärtig gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ditib in Deutschland "umstürzlerisch tätig" sei. Allerdings meint der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier: "Die Ditib ist im Leben keine religiöse Organisation."

Burkhard Freier / © Roland Weihrauch (dpa)
Burkhard Freier / © Roland Weihrauch ( dpa )

"Werden uns von der Ditib nicht erpressen lassen"

Dennoch will die Landesregierung die Ditib bei ihrer Dialogarbeit nicht weiter ausklammern. Während die Beziehungen zu dem Moscheeverband offiziell noch eingefroren sind, laufen bereits seit Wochen Sondierungsgespräche hinter den Kulissen. Daran ist offenbar auch das Schulministerium beteiligt, das bis Mitte 2019 eine Anschlussregelung für den muslimischen Religionsunterricht vorlegen muss.

Das bisherige Beiratsmodell läuft Ende Juli aus. Bisher erteilt in NRW ein auf acht Personen angelegter Beirat die Lehrerlaubnis für muslimische Religionslehrer. Die Ditib musste ihren Sitz auf Drängen der rot-grünen Vorgängerregierung ruhen lassen. Nun hat sich innerhalb der Landesregierung offenbar die Auffassung durchgesetzt, dass der derzeit von vier Prozent der muslimischen Schüler besuchte islamische Religionsunterricht nur mit dem größten Moscheeverband sinnvoll ausgebaut werden kann. Sonst werde die Akzeptanz der muslimischen Eltern gefährdet.

Bliebe die Ditib außen vor, befürchten Regierungskreise, würde der Religionsunterricht in die Moscheen abwandern. "Aber wir werden uns von der Ditib nicht erpressen lassen", so Güler. Bei der Neuausrichtung des Dialogs sollten aber die Muslime und Moscheegemeinden vor Ort ein stärkeres Gewicht erhalten.

Von Johannes Nitschmann

Islamverband Ditib

Zur Türkisch-Islamischen Union (Ditib) gehören bundesweit mehr als 900 Ortsgemeinden. Die größte islamische Organisation in Deutschland vertritt nach eigenen Angaben über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime. Gegründet wurde der Dachverband, der in Köln sitzt, 1984 als eingetragener Verein.

Logo der Ditib in Stuttgart / © Marijan Murat (dpa)
Logo der Ditib in Stuttgart / © Marijan Murat ( dpa )
Quelle:
KNA
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