Kölner Hochschule für Theologie verschreibt sich dem Dialog

"Wenn wir uns nicht herausfordern lassen, rosten wir ein"

Eine Hochschule für katholische Hardliner? "Ganz im Gegenteil", sind sich Rektor Christoph Ohly und Kanzlerin Martina Köppen von der Kölner Hochschule für Katholische Theologie einig. Die Zukunft der Theologie liege im Dialog.

Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) / © Gerald Mayer (DR)
Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) / © Gerald Mayer ( DR )

DOMRADIO.DE: Vor zwei Jahren haben Sie die Trägerschaft der Hochschule von den Steyler Missionaren übernommen. Was hat sich seitdem getan?

Dr. Martina Köppen, Kanzlerin der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer (DR)
Dr. Martina Köppen, Kanzlerin der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer ( DR )

Martina Köppen (Kanzlerin der Kölner Hochschule für Katholische Theologie KHKT): Es ist eine ganze Menge passiert: Wir haben nach dem Trägerwechsel versprochen, die Hochschule nicht nur weiterzuführen, sondern auch weiterzuentwickeln. Ein erstes sichtbares Zeichen sind die neuen Räumlichkeiten der KHKT in Köln-Lindenthal. Wir haben hier einen attraktiven, digital gut ausgestatteten Standort. Die Studierenden wissen das sehr zu schätzen. Was für den Umzug außerdem ausschlaggebend war, sind die vielfältigen Möglichkeiten zu Kooperationen. Wir sind eine kleine Hochschule. Wir müssen kooperieren. Mitten in Köln finden wir wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen, mit denen das möglich ist. Nicht zuletzt haben wir uns inhaltlich weiterentwickelt. Alle Lehrstühle tragen mit Absicht den Passus "Dialog" in ihrem Namen und wir wollen in den Dialog mit der Gesellschaft zu kommen. Das ist für uns eine Selbstverpflichtung.

DOMRADIO.DE: Haben Sie schon aktive Kooperationspartner gefunden?

Köppen: Es ist sehr erfreulich, dass sich sehr schnell verschiedene Möglichkeiten zu Kooperationen ergeben haben. Es gibt also durchaus Interesse von außen. Wir sind auf einem sehr guten Weg.

Christoph Ohly (Rektor der KHKT, Professor für Kirchenrecht): In Köln befinden sich sehr viele Einrichtungen, die den Dialog suchen: im wissenschaftlichen und akademischen Bereich, im kulturellen, gesellschaftlichen Bereich. Wir haben schon in den ersten Wochen nach dem Standortwechsel die Kontakte in die Nachbarschaft aufgenommen.

Wir haben hier einige Institute der Universität vor Ort, die fachlich auch mit den einzelnen Lehrstühlen gut in Verbindung zu bringen sind. Da schon erste Gespräche stattgefunden haben, können wir sagen, dass erste Projekte schon auf den Weg gebracht wurden. Die brauchen immer einen gewissen Vorlauf, aber in Zukunft kommt da Gutes auf uns zu. Wir gehen also auch selbst nach außen und wir suchen diese Kooperationen.

Christoph Ohly und Martina Köppen vor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer (DR)
Christoph Ohly und Martina Köppen vor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer ( DR )

DOMRADIO.DE: Da Sie den interdisziplinären Dialog so betonen: Ist es da nicht ein Nachteil, dass die KHKT nicht in eine größere Universität eingebunden ist?

Köppen: Erfolgreiche Kooperation und gute interdisziplinäre Forschungsprojekte hängen immer ab von Personen, die sich dafür einsetzen. Es kommt nicht darauf an, dass man im gleichen Gebäude oder in der gleichen Stadt sitzt. Man muss gemeinsam gute Themen finden, an denen man arbeiten kann. Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist es kein Hindernis mehr, nicht am gleichen Ort zu sein. Als KHKT sind wir darauf angewiesen, uns solche Projekte und Kooperationspartner zu suchen und kommen also erst gar nicht in Gefahr, einzurosten. Darin liegt eine große Chance.

DOMRADIO.DE: Wie hat sich das inhaltliche Profil der Hochschule nach dem Trägerwechsel gewandelt?

Köppen: Neben der gerade stattfindenden Reakkreditierung (Anm.d.Red: externe Überprüfung und qualitative Prüfung) unseres jetzigen Magister-Studiengangs in Theologie haben wir zeitgleich etwas völlig Neues konzipiert: Zum Wintersemester 2021/2022 ist unser "Studium generale" gestartet. Junge Menschen können an der KHKT ein Orientierungsjahr absolvieren. Sie können an Vorlesungen aus verschiedensten Fachrichtungen teilnehmen oder Sprachen lernen. Diese Leistungen können dann nach diesem Jahr an einer anderen Hochschule anerkannt werden. Oder aber die Studierenden beginnen nach dem "Studium generale" mit dem Studium bei uns. Diese zwei Semester werden dann voll angerechnet. Der Kern dieses Angebots ist es, philosophische und theologische Fragen mit interessanten gesellschaftlichen Fragen zu verbinden. Auch hier ist uns der Dialog wichtig und in einen Austausch mit der Gesellschaft zu kommen. Das ist für alle gewinnbringend.

Prof. Dr. Christoph Ohly, Rektor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer (DR)
Prof. Dr. Christoph Ohly, Rektor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / © Gerald Mayer ( DR )

Ohly: Der Bedarf an Orientierungsangeboten nach dem Abitur wird immer größer. Genau darauf reagieren wir mit diesem Angebot, in dem es um die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen geht, auf die man Tag für Tag in den Medien stößt. Ich bin überzeugt, dass wir den jungen Menschen damit eine wirkliche Hilfe bieten können. Und die ersten Reaktionen sind sehr positiv.

DOMRADIO.DE: Die KHKT ist eine kleine Hochschule mit etwa 100 Studierenden, wie Sie auf Ihrer Internetseite schreiben. Welchen Einfluss hat das auf das Studium vor Ort?

Ohly: Wir freuen uns sehr, dass sich bislang in jedem neuen Semester seit dem Trägerwechsel ungefähr zehn Prozent neue Studierende für ein Studium an der KHKT entschlossen haben - wir wachsen also und sehen, dass das Angebot gut angenommen wird. Der Vorteil einer momentan eher kleineren Hochschule ist natürlich, dass wir sehr persönlich auf jeden Studierenden eingehen können. Wir können ihre Herkunft, ihre Prägung, ihre Sichtweisen viel stärker wahrnehmen. Auch die Vorlesungen und anderen Lehrveranstaltungen sind dadurch sehr lebendig verglichen mit der klassischen Form einer 45-minütigen Lesung, bei der nur einer spricht.

Mich freut besonders, dass die Studierenden hier zu einer wirklichen Gemeinschaft zusammengewachsen sind. Sie kennen die Dozierenden und die Professoren sehr gut. Der ständige Austausch auch außerhalb der Lehrveranstaltungen bringt immens viele Vorteile mit sich. Gleichzeitig warne ich davor, unsere Hochschule als "kleine Familie" darzustellen. Denn das ist sehr exklusiv gedacht. Wir wollen ja gerade nach außen hin offen sein, sodass sowohl Menschen in die Hochschule hineinkommen als auch aus der Hochschule hinaus wirken können. Unser Anspruch ist, Theologie für die gesamte Gesellschaft zu betreiben.

Prof. Christoph Ohly zum Vorurteil an der KHKT studierten nur "konservative Hardliner"

"Die Studierendenschaft hier ist – ganz im Gegenteil – sehr vielfältig."

DOMRADIO.DE: Was sind das für junge Menschen, die hier studieren?

Ohly: Leider hören wir oft ein gern kolportiertes Vorurteil: an der KHKT studieren die konservativen Hardliner. Die Realität ist eine ganz andere. Die Studierendenschaft hier ist – ganz im Gegenteil – erfreulicherweise sehr vielfältig. Es sind junge Frauen und junge Männer aus Deutschland und Europa, aber auch von anderen Kontinenten, von Afrika über Asien bis Südamerika. Sie haben ganz unterschiedliche Hintergründe, aber eines ist ihnen sehr gemeinsam: Das Brennen für Fragen der Theologie. Einer Theologie, die sich nicht in einen Turm einschließt und sich selbst genügt, sondern die wirklich sprech- und sprachfähig wird. Die Studierenden hier wollen die Fragen unserer Zeit im "Licht des Glaubens", wie es das Zweite Vatikanische Konzil formuliert, beleuchten und erörtern.

Ich merke das immer wieder, wenn ich durchs Haus gehe. In der Cafeteria, im AStA-Raum, in der Bibliothek, überall sieht man unsere Studierenden auch zwischen den Veranstaltungen diskutieren. Eine Studentin hier im Haus sagte mir: "Ich bin nicht eine, die in einem umklammerten Raum des Glaubens oder der Kirche sitzt. All meine Altersgenossen, mit denen ich Kontakt habe und in Freundschaften verbunden sind, haben mit Glaube nichts zu tun. Die fordern mich heraus. Für mich ist die Herausforderung, das, was ich theologisch durchdringe, was mein Glaube ist, mit ins Gespräch einzubringen. Und das auf Augenhöhe. Ich bin als Theologiestudentin keine Expertin für alles, sondern kann nur im Austausch fachlich und persönlich wachsen." Das fand ich sehr ermutigend für unsere Arbeit, aber auch für uns ganz persönlich.

Christoph Ohly und Martina Köppen in der Cafeteria der KHKT / © Gerald Mayer (DR)
Christoph Ohly und Martina Köppen in der Cafeteria der KHKT / © Gerald Mayer ( DR )

DOMRADIO.DE: Studieren ist vor allem die Beschäftigung mit der Wissenschaft. Gerade bei einem Theologiestudium spielt aber auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und der eigenen Spiritualität wichtig. Fangen Sie das als Hochschule auf?

Ohly: Wir haben das Glück, durch den neuen Standort direkt zwei Kirchen vor der Haustür zu haben. Einmal das schöne Krieler Dömchen und dann die Pfarrkirche Albertus Magnus. Das ist schon so ein kleiner Campus. Die Studierenden gehen gerne mal rüber ins Krieler Dömchen und schaffen sich Orte zum eigenen oder gemeinsamen Gebet. Gleichzeitig haben wir jetzt mit diesem Wintersemester eine wöchentliche Hochschulmesse eingeführt. Man feiert die Heilige Messe miteinander und hat anschließend noch Zeit, bei einem kleinen Imbiss im Gespräch zu bleiben.

Der ein oder andere Dozent hier ist Priester. Auch da ergibt sich am Rande oft ein Gespräch über die eigene Spiritualität. Natürlich achten wir darauf, nicht in Rollenkonflikte zu kommen Aber Theologie ist ohne den Glauben, auch ohne eine eigene geistliche Haltung der Studierenden, nicht denkbar.

DOMRADIO.DE: Was bereitet Ihnen am meisten Freude an der Arbeit in der KHKT?

Köppen: Es ist uns wirklich gelungen, eine aus der ehemaligen PTH eine Einrichtung zur neuen KHKT weiterzuentwickeln, die eine hundertjährige Tradition hat. Wir haben damit ein Stück der Vielfalt der Theologie in unserer Erzdiözese erhalten. Wir bilden den missionswissenschaftlichen Schwerpunkt, den die Hochschule in Trägerschaft der Steyler Missionare schon hatte, weiter ab: mit interreligiösem und interkulturellem Dialog, der in der aktuellen Zeit an Bedeutung immer mehr gewinnt.

Die Idee hinter der Weiterentwicklung der Hochschule hat der Großkanzler der KHKT, Kardinal Woelki, einmal so formuliert: "Es braucht eine Theologie, die Strahlkraft entwickelt und im Leben der Menschen vorkommt." Deshalb bilden wir hier junge Theologinnen und Theologen aus mit dem Ziel, dass diese nachher, in einen Dialog mit der Gesellschaft treten und reflektiert und wissenschaftlich fundiert eine christliche Position vertreten können. Der Zweck dieser Hochschule ist in Kürze: sich nicht nur seiner eigenen Theologie sicher zu sein, sondern inmitten der Gesellschaft auf deren Fragen Antwort geben zu können.

Die Hochschule ist aus diesem Grund auch rein baulich so konzipiert, dass sie nach außen wirken kann: Wir haben eine Cafeteria, wir haben einen Musiksaal, in dem schon verschiedene Chöre proben. Wir sind jederzeit bereit, unsere Räumlichkeiten zu vermieten oder auch kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn kein Geld da ist.

Kardinal Woelki bei der Übergabe der Trägerschaft der Hochschule

"Es braucht eine Theologie, die Strahlkraft entwickelt und im Leben der Menschen vorkommt."

Ohly: Wenn ich morgens zur Hochschule fahre und das Gebäude sehe, ist das für mich jeden Tag ein Grund zur Freude. Das ist nicht selbstverständlich. Ein gutes Symbol ist unser schönes Lichtkreuz in der Aula. Wenn die Sonne hereinscheint, strahlt es so viele verschiedene Farben aus. Für mich steht das für die Vielfältigkeit der theologischen Disziplinen, der Fragen und Ansätze und der Vielfalt unter unseren Studierenden.

In gemeinsamen Lehr- und Forschungsprojekten müssen wir uns immer hinterfragen und hinterfragen lassen. Wir leben in einer Zeit, die uns herausfordert. Wenn wir uns nicht herausfordern lassen, dann rosten wir ein, werden müde und unbeweglich. Wir gehen mit Lehre und Forschung einen anderen Weg - gemeinsam mit den Studierenden. Das macht jeden Tag aufs Neue große Freude.

Das Interview führte Gerald Mayer.

Quelle:
DR
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