"Mister Passion" Christian Stückl wird 60

Fachmann fürs Katholische

Was zählen in Oberammergau schon Jahre? Die Zeitrechnung dort lautet "vor" und "nach" der Passion. Sechs Monate, bevor es nun mit den 42. Passionsspielen 2022 endlich losgehen soll, wird Spielleiter Christian Stückl 60.

Autor/in:
Barbara Just
Spielleiter Christian Stückl  / © Angelika Warmuth (dpa)
Spielleiter Christian Stückl / © Angelika Warmuth ( dpa )

Wenn für einen das Wort "Leidenschaft" passt, dann für Christian Stückl. Wie ein ständig auf Hochtouren laufender Motor ist der Theatermann am Werk. Die Ideen sprudeln aus ihm nur so heraus, wobei Zigarette und Espresso nie fehlen dürfen.

Für den Regisseur wurden zuletzt Träume nicht nur auf der Bühne wahr, sondern auch im Leben als Intendant des Münchner Volkstheaters. War um 2000 noch eine komplette Einstellung des Betriebs erwogen worden, konnte im Oktober ein Neubau im Schlachthofviertel eröffnet werden. Quasi ein Vorab-Geschenk zu Stückls 60. Geburtstag am 15. November. "Das Wunder von München", titelte eine Zeitung.

Stückl wurde in eine Oberammergauer Gastwirtsfamilie hineingeboren. "Mein Vater und mein Großvater waren Koch. Ich sollte auch einer werden. Von Jugend an habe ich mich geweigert", erzählte er einmal der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch wenn heute seine selbst gemachte Lasagne von Freunden allseits gelobt wird, war es eine kluge Entscheidung. Theaterspielen und Inszenieren gefiel ihm schon als Jugendlicher besser. Weil er als Ministrant nicht zum Einsatz kam, machte er sich mit 14 Jahren zum "Hilfsmesner" und zeigte dem Pfarrer, "wie man Liturgie macht".

Jüngster Passionsspielleiter der Geschichte

Das auf dem Dachboden ausgelagerte barocke Heilige Grab führte Stückl wieder ein und die Karfreitagsratschen. Wenn der Pfarrer in der Osternacht die Kirche "nicht richtig dunkel gemacht hat, habe ich es gemacht". Und da war natürlich alle zehn Jahre die Passion, bei der sein Vater stets eine tragende Rolle hatte. Bereits als Kind durfte auch der Sohn mitspielen und steckte sich mit dem Theatervirus an. Der wurde ihm später im Ettaler Benediktiner-Gymnasium zum Verhängnis. Weil er mehr damit beschäftigt war, das Weihnachtsspiel vorzubereiten als in den Unterricht zu gehen, flog er von der Schule.

In den Achtzigern besuchte Stückl die staatliche Schnitzschule in seinem Geburtsort. Aber auch dort beschäftigte er sich lieber mit etwas anderem als Holz: Unter der Hobelbank studierte er heimlich Texte für eine von ihm gegründete Theatergruppe. 1987 wählten ihn die Oberammergauer zum jüngsten Passionsspielleiter der Geschichte. Parallel wurde er Assistent bei Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen und blieb dort bis 1996, um danach als freier Regisseur zu arbeiten.

Einsatz gegen Antisemitismus

Stückl inszenierte Schauspiele und Opern in Hannover, Frankfurt, Wien und Bonn. 2002 übernahm er das Münchner Volkstheater, zugleich holte ihn Jürgen Flimm nach Salzburg. Als "Fachmann fürs Katholische" sollte er den "Jedermann", das Allerheiligste der Festspiele, umkrempeln. Mit den Schauspielern, darunter Stars wie Peter Simonischek und Veronica Ferres, rang er bei den Proben um Glaubensfragen. So wie er das Traditionsstück bis 2012 in eine neue Zeit führte, tut er dies auch mit den Passionsspielen. Weg vom traditionellen christlichen Judenhass, hin zur ausgewogenen Darstellung innerjüdischer Konflikte.

Vielfach geehrt für diesen Einsatz gegen Antisemitismus - zuletzt mit der Buber-Rosenzweig-Medaille - und im Bewusstsein, dass diese Aufgabe wohl nie erledigt sein wird, will Stückl 2022 die Passion erneut auf die Bühne bringen: zum vierten Mal. Der katholischen Kirche gehört er nach wie vor an - "auch wenn es manchmal schwerfällt". Religion aber könne man eben nicht wie eine Unterhose ausziehen, verteidigt er sich.

Kritik an der Kirche

Manchmal gehe ihm die Kirche "so auf den Nerv", räumte der Theatermann jüngst ein. Mittlerweile kenne er aber so viele Bischöfe, dass er sich denke, "wenn ich noch drin bin, kann ich ihnen sagen, was mir nicht passt". Und das tut er auch. 

Dass die katholische Kirche die "allein selig machende" sei, erscheint ihm als eher komischer Gedanke. Genauso wie er auch persönlich nicht das Gefühl hat, die Wahrheit gefunden zu haben. Am Ende suche man diese ein Leben lang, "und manchmal sind wir ganz schön verunsichert im Glauben", sagt er. Zum Ehrenbürger hat ihn seine Heimatgemeinde vor einem Jahr ernannt. Sein Kommentar: "Wahrscheinlich habe ich einfach das Alter jetzt erreicht. Jetzt könnte ich gut Papst werden."


Quelle:
KNA