Erdensammlung aus Krisenregionen als Zeichen für Frieden

Versöhnung wächst aus toter Erde

Erde aus Nagasaki, Auschwitz und von Schlachtfeldern: Die Krypta der Friedenskirche St. Bernhard in Speyer birgt einen besonderen Schatz. Gebaut wurde die Kirche vor fast 70 Jahren von Deutschen und Franzosen, als Versöhnungszeichen.

Autor/in:
Alexander Lang
Friedenskirche Sankt Bernhard in Speyer / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Friedenskirche Sankt Bernhard in Speyer / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Es sind nur ein bisschen Erde und eine Handvoll Steine, zusammengetragen aus Orten des Grauens in aller Welt. Doch für Dompfarrer Matthias Bender hat die kleine Sammlung von "Friedenserden" in der unterirdischen Kapelle der Friedenskirche St. Bernhard in Speyer einen großen symbolischen Wert. "Sie ermahnt alle Christinnen und Christen, immer weiter am Frieden zu arbeiten. Das bleibt auch durch den Ukrainekrieg aktuell", sagt der katholische
Pfarrer.

Bender ist Hausherr über den kleinen Schatz, der in einer im Halbrund verlaufenden Wand in sieben kleinen Nischen ruht. Seit Mitte der 1950er Jahre wurden hier die Erden und Steine aus fünf Kontinenten gesammelt, Glasfenster geben einen Blick darauf frei. Die Kapelle dient der katholischen internationalen Friedensbewegung "Pax Christi" als Gebets- und Andachtsraum.

Adenauer und Schuman legten den Grundstein

Vor fast 70 Jahren errichteten deutsche und französische Katholiken gemeinsam die Friedenskirche als Symbol der Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern Deutschland und Frankreich. Der Grundstein wurde 1953 im Beisein des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU) und des ehemaligen französischen Außenministers Robert Schuman gelegt.

Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. (KNA)
Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. ( KNA )

Das Gotteshaus aus weißem Sandstein und Backsteinen, das an mittelalterliche Zisterzienserklöster erinnert, befindet sich auf einem Teil des alten Speyerer Friedhofs, des heutigen Adenauerparks. Gewidmet wurde es dem französischen Kirchenlehrer und Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux (1090-1153), der als ein Patron des Friedens gilt.

Friedenserden

Bald soll es in der Kapelle unter dem Altarraum mittwochs wieder jeweils um 17 Uhr Friedensgebete geben, die ökumenisch offen sind, sagt Dompfarrer Bender. Seit Beginn der Corona-Pandemie hatten sie oben in der Kirche stattgefunden. Er deutet auf eine Nische, in der seit Jahrzehnten ein rotes Tongefäß mit goldenen Ornamenten liegt. "Da ist Erde aus Nagasaki drin, da war noch Strahlung messbar", sagt er. In der japanischen Großstadt starben im August 1945 viele Tausende Menschen bei einem US-Atombombenabwurf.

Zaun in Auschwitz-Birkenau / © Markus Nowak (KNA)
Zaun in Auschwitz-Birkenau / © Markus Nowak ( KNA )

Ein paar Meter daneben gemahnt in einer Metallbox aufbewahrte Erde aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau an den Massenmord der Nationalsozialisten an den Juden. Anlässlich einer "Sühnefahrt" überreichten polnische Gastgeber die Erde an "Pax Christi" als Zeichen der Versöhnung. Die Erde solle "allzeit ein Aufschrei der Mahnung und Verzweiflung" sein, so steht es auf der Plakette.

Atompilz über Nagasaki (dpa)
Atompilz über Nagasaki / ( dpa )

Auch aus Afrika, Südamerika und Asien stammen einige Gramm Erde in der Krypta. "Niemals wieder Krieg!", dies sei der stumme Schrei der "Friedenserden", sagt der Dompfarrer. Platz für neue Erden, für eine Aufstockung der Sammlung, gebe es in der kleinen Kapelle allerdings nicht.

Bischof Kohlgraf spendete Erde aus Frankreich

Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz ( KNA )

Zuletzt hatte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf als Präsident der deutschen Sektion von "Pax Christi" vergangenes Jahr bei einer Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs Erde aus nordfranzösischen Schlachtfeldern beigesetzt. "Wir alle sind berufen, Friedensstifterinnen und Friedensstifter zu sein", sagte Kohlgraf damals in seiner Predigt. Die "Wertschätzung anderer Menschen" sei die Grundlage aller Friedensarbeit aus dem Geist der christlichen Nächstenliebe.

Sieben Säckchen mit Erden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg haben ihren Platz in einer Stele im Vorraum der Kapelle gefunden. Sie wurden in einer Kiste aus Eichenholz aufbewahrt, die bereits 1956 an die Friedenskirche überreicht worden war, wie Dompfarrer Bender erzählt. Erst bei Umbauarbeiten wurden diese in der Sakristei wiederentdeckt.

Volkstrauertag

Am Volkstrauertag gedenken die Menschen in Deutschland der Opfer der beiden Weltkriege sowie des Nationalsozialismus. Seit Anfang der 1950er Jahre findet der nationale Gedenktag im November statt, immer zwei Sonntage vor dem ersten Advent. Der Tag soll zu Versöhnung, Verständigung und Frieden mahnen und auch Opfer von anderen Kriegen und Verfolgung in den Blick nehmen.

Volkstrauertag (dpa)
Volkstrauertag / ( dpa )
Quelle:
epd