Benedikt XVI. fühlt sich auch als Papst seiner Heimat verbunden

"Natürlich bin ich ein Bayer geblieben"

Man könnte ja denken, dass einer, der seit mehr als 20 Jahren in Rom lebt und Leute wie den US-Präsidenten empfängt, nicht unbedingt den "Altöttinger Liebfrauenbote" der Marianischen Männerkongregation ganz oben auf seiner Lektüreliste stehen hat. Und doch greift Papst Benedikt XVI.

 (DR)

Man könnte ja denken, dass einer, der seit mehr als 20 Jahren in Rom lebt und Leute wie den US-Präsidenten empfängt, nicht unbedingt den "Altöttinger Liebfrauenbote" der Marianischen Männerkongregation ganz oben auf seiner Lektüreliste stehen hat. Und doch greift Papst Benedikt XVI. nach Aussage seines Sekretärs Georg Gänswein immer freudig zum jeweils neuen Exemplar. Es ist eben ein kleiner Gruß aus der Heimat - und die ist für Joseph Ratzinger auch nach Jahrzehnten in Rom noch immer eine Herzensangelegenheit.


Bayrischer Akzent rührt die Römer
Es ist ja ein typischer Wesenszug der Bayern, dass sie mit einer stillen, aber äußerst beharrlichen Liebe an ihrer Heimat hängen und diese nur ungern verlassen. Tun sie es doch, schwillt ihnen eine ewige latente Sehnsucht die Brust, die sich gelegentlich trotz des bayerischen Hangs zur Lakonie Bahn bricht. Benedikt XVI. ist hierin keine Ausnahme. "Ich bin natürlich ein Bayer geblieben, auch als Bischof von Rom", bekannte er gleich in seiner ersten Audienz. Der weiche Akzent des Dialekts färbt sein Italienisch und rührte die Römer von Anfang an.

Das Bayern Benedikts ist eine katholische, barocke, beschauliche Welt, wie sie der Sohn eines Dorfgendarmen und einer Köchin zu Beginn seines Lebens in dem malerischen Winkel zwischen Inn und Salzach erfuhr. Mit ihren vielen kleinen Kirchen, farbenprächtigen Fronleichnamsprozessionen und ihrer schlichten Volksfrömmigkeit prägte sie auch Ratzingers Religiosität. Der Theologieprofessor mit dem scharfen Verstand pflegte mit größter Selbstverständlichkeit Kerzen vor Muttergottesstatuen in bayerischen Kirchlein anzuzünden, und vor der Frömmigkeit der einfachen Leute hat er bis heute höchste Achtung.

Freude über weiß-blaue Fahnen
Bayerisches Brauchtum ist für Benedikt nicht Folkloreprogramm zu Staatsbesuchen, sondern eine Wurzel: Das erklärt, warum ein Intellektueller wie er sich nie zu schade war, den neuen Spritzenwagen einer Freiwilligen Feuerwehr zu weihen. Warum er sich aufrichtig freut, wenn auf dem Petersplatz weiß-blaue Fahnen geschwenkt werden. Und warum er entzückt ist, wenn die Gebirgsschützen vom Tegernsee, deren Ehrenmitglied er ist, für ihn in Rom Salut schießen, obwohl er es doch sonst eigentlich eher ruhig mag.

Bei solchen Gelegenheiten kann man auch erleben, wie Ratzinger im Kreise seiner Landsleute aufblüht, gelöst ist und lacht. Da überrascht es nicht, dass der sonst sehr beherrscht und zuweilen distanziert wirkende Papst ein Verehrer des Münchner Komikers Karl Valentin ist, der wie kein anderer dem Volk aufs Maul schaute und die bayerische Sprache auf ihren Hintersinn abzuklopfen wusste. Solchen hat auch Ratzinger bewiesen, als er als junger Professor in Freising dem Jodler theologische Qualitäten beimaß. Schon der Kirchenvater Augustinus habe dieses "wortlose Ausströmen einer Freude" geschätzt, erklärte er damals verdutzten Volksmusikfreunden.

Deutscher Wohnsitz weiterhin in Pentling
In seiner Zeit als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation kam Ratzinger vier bis fünf Mal im Jahr auf Heimatbesuch nach Pentling bei Regensburg, wo er heute noch seinen deutschen Wohnsitz hat. Dass solche Ausflüge heute nicht mehr möglich sind, dürfte ihn schmerzen. Immerhin hat er sich stets etwas bayerisches Flair in den Vatikan geholt: Der Münchner Bankdirektor Thaddäus Kühnel liefert Ratzinger seit 23 Jahren Christbäume und Adventskränze nach Rom, Lebkuchen der Mallersdorfer Franziskanerinnen und Apfelschorle aus dem Adelholzener Mineralbrunnen der Barmherzigen Schwestern.

Maß hält der Papst beim Nationalgetränk seiner Landsleute: Nur "ab und zu" genehmigt er sich nach den Worten seines Bruders ein kleines Glas Bier. Was ein recht nicht-bajuwarischer Zug in seinem Wesen ist.