Beginn des muslimischen Ramadan und jüdisches Neujahrsfest fallen auf einen Tag - Kardinal Meisner gratuliert

Feiern statt Bekriegen

Für mehr als eine Milliarde Muslime in aller Welt beginnt an diesem Donnerstag der Fastenmonat Ramadan. Das Fasten gehört wie das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Armensteuer und die Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen des Islam. Und die Juden feiern heute ihr Neujahrsfest. Sind Muslime und Juden auch im heiligen Land so beschäftigt mit Feiern, dass sie einmal darauf verzichten, sich gegenseitig zu bekriegen? Johannes Zang, domradio-Korrespondent in Israel, berichtet aus Jerusalem und der Kölner Kardinal Meisner gratuliert den jüdischen Gemeinden im Erzbistum.

 (DR)

Kardinal Joachim Meisner hat den jüdischen Gemeinden in Köln, Bonn, Düsseldorf und Wuppertal zu ihrem Neujahrsfest gratuliert. Er wünsche allen Juden in Deutschland, Israel und der ganzen Welt ein Leben in Frieden und Freiheit, heißt es in dem am Mittwoch verbreiteten Grußwort an die Rabbiner und Gemeindevorstände. In den vergangenen Jahren hätten viele katholische Christen Synagogen besucht und sich über das Judentum informiert. Diese Begegnungen seien Ausdruck wirklichen Interesses und freundschaftlicher Verbundenheit. "Gerne gehen wir auf diesem Wege weiter. In herzlicher Verbundenheit grüße ich Sie und wünsche Schana towa", schließt das Schreiben.

Verstärkten Sicherheitsvorkehrungen
In Jerusalem und der Westbank hat der muslimische Fastenmonat Ramadan am Donnerstag unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Da am Donnerstag ebenfalls der jüdische Neujahrstag Rosch Haschana gefeiert wurde, rechneten die Sicherheitskräfte mit einem erhöhten Anschlagsrisiko. Tausende von Polizisten wurden nach Angaben der lokalen Presse in Jerusalem zusammengezogen.

Das Verteidigungsministerium belegte die Westbank und Gaza für die beiden Tage des Rosch-Haschana-Festes mit einer totalen Sperre, bei der sämtliche Checkpoints geschlossen werden. Zum ersten Freitagsgebet im Ramadan in der El-Aksa-Moschee werden daher nur die Muslime gelangen können, die innerhalb dieses Sperrbezirks leben. Israelische Friedensgruppen rechnen deshalb für diesen Freitag mit Unruhen an den diversen Checkpoints um Jerusalem.

Eingeschränkter Zugang zum Tempelberg
Für den gesamten Fastenmonat hat das israelische Militär eine Altersgrenze für die Zulassung zum Gebet auf dem Tempelberg festgelegt. Demnach werden nur Männer ab 45 Jahren und Frauen ab 35 Jahren zugelassen. Viele brauchen zudem eine besondere Genehmigung. In vergangenen Jahren war es an den Sperren wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und den Abgewiesenen gekommen.

Auch in der Stadt Hebron, die von Juden wie Muslimen wegen des Grabes Abrahams verehrt wird, hat das israelische Militär für die kommenden Wochen seine Präsenz verstärkt. Am Donnerstag war das Heiligtum des Grabes, welches als Moschee und Synagoge genutzt wird, für Muslime gesperrt. Auch dort werden für den Freitag - als hohem Gebetstag der Muslime und gleichzeitigem Feiertag für die in Hebron lebenden jüdischen Siedler - Spannungen erwartet.

Was feiern die Juden am Neujahrsfest?
In Israel und den jüdischen Gemeinden weltweit feiern Juden am Donnerstag und Freitag das Neujahrsfest Rosh Hashana ("Haupt des Jahres"). Das zweitägige Fest beginnt bereits am Mittwochabend, dem Vorabend des ersten Tages des jüdischen Monats "Tishre". Damit begrüßen die Juden das Jahr 5768 nach der Erschaffung der Welt.

Typisch für das Fest ist das Blasen des Schofar, des Widderhorns, mit dem zu Gebet und Buße aufgerufen wird. Das Neujahrsfest erinnert die Juden an den Bund zwischen Gott und Israel, der für die Israeliten eine sittliche Verpflichtung darstellt. Die Feiertage sollen die Menschen veranlassen, in sich zu gehen, sich vom Bösen abzuwenden und gut zu handeln. In der jüdischen Tradition hat das Neujahrsfest den Charakter eines Gerichtstages: Gericht Gottes über den Menschen und Rechenschaft des Menschen über sein eigenes Tun.

Religiöse Juden gehen am Vorabend von Rosh Hashana zur Synagoge und bitten um Vergebung. Zu Hause wird eine festliche Mahlzeit angerichtet und Kerzen werden angezündet. Anders als sonst taucht der Hausherr das Brot beim Brotsegen in Honig und nicht in Salz. Dann wünscht man sich ein "süßes Jahr". An das Fest schließen sich zehn Tage der Einkehr und Buße an, die an Jom Kippur, dem Versöhnungstag, enden.


Strenge Regeln für Sabbatjahr in Israel umstritten
In Israel beginnt mit dem Neujahrsfest, das am Donnerstag und Freitag gefeiert wird, ein Sabbatjahr. Es geht auf das biblische Gebot zurück, das alle sieben Jahre ein Ruhejahr für das Ackerland vorschreibt. Nach sechs Jahren Bewirtschaftung folgt ein Jahr der Brache, in dem das Land nicht bestellt wird - analog zum Sabbat als wöchentlichem Ruhetag. Felder, Weinberge und Olivenhaine im Land Israel müssen im Sabbatjahr ruhen.

Seit Wochen gibt es heftige Debatte in der israelischen Öffentlichkeit über die Einhaltung dieses biblischen Gebots. Den Anstoß dafür lieferte Jossef Schalom Eliaschiv, einer der wichtigsten Rabbiner der ultraorthodoxen Juden. Er gab Anweisung, das Sabbatjahr in besonders strenger Form einzuhalten. Front machte der Rabbiner gegen die bislang übliche Praxis, wonach israelische Landwirte ihr Land für die Dauer von zwölf Monaten an Nichtjuden verkaufen, die es dann kultivieren. Häufig pachteten die Landwirte das Land auch zurück, um es weiter zu bestellen.

Mit dieser pragmatischen Regelung werde das Sabbatjahr geschändet, stellte Eliaschiv klar. Die Ultraorthodoxen ziehen es stattdessen vor, landwirtschaftliche Erzeugnisse, sowie Obst und Gemüse während dieser Zeit bei arabischen Bauern einzukaufen oder aus dem Ausland zu beziehen.

Liberale religiöse Juden schütteln den Kopf über diese Weisung des Wortführers der Ultraorthodoxen, die bisherige "Notlösung" nicht mehr zu akzeptieren. Eliahu Avraham, Rabbiner in einer ländlichen Gemeinde, klagt: "Die strenge Auslegung macht uns zu Erbsenzählern und zu Insektenkontrolleuren, der tiefe Sinn des Gesetzes geht so aber verloren." Dieser gemäßigte Flügel des Judentums attackiert auch das Oberrabbinat, das sich für die Vergabe von Zertifikaten für koschere (reine) Lebensmittel den restriktiven Empfehlungen von Eliaschiv anschloss. Mehr Sensibilität für die Mehrheit der Bauern und die jüdischen Verbraucher sei gefragt. Empfohlen wird deshalb eine Ausweitung alternativer Anbau-Methoden, wie Hydro-Kulturen oder zweijährige Aussaaten.

Eine Umfrage ergab kürzlich, dass 62 Prozent der Israelis keine Ahnung davon hatten, dass ein Sabbatjahr bevorsteht. Unter den nichtreligiösen Israelis finden sich allerdings auch Gruppen, die die Ökologie hochhalten. Sie befürworten mit Verweis auf den Umweltschutz die ganzjährige Brache. Nicht wenige Grüne sind bereit, sich im nächsten Jahr wie die Ultrareligiösen auf importiertes Gemüse und Obst zu beschränken.

Proteste gibt es von den Bauern. Der Präsident der Bauernvereinigung, Yusta Bleier, bezifferte in der "Jerusalem Post" die Einkommenseinbußen seiner Kollegen auf rund 700 Millionen Shekel (123 Millionen Euro). Landwirtschaftsminister Shalom Simhon drohte mit Sanktionen, sollten die ultraorthodoxen Rabbiner nicht einlenken. Dann werde er die Einfuhr von Agrarerzeugnissen stoppen.

Was bedeutet der Ramadan für die Muslime?
Der heilige Monat Ramadan, der neunte im islamischen Mondjahr, wandert durch das Kalenderjahr und wird in diesem Jahr vom 13. September bis zum 11. Oktober gefeiert. Er beginnt, wenn die Mondsichel nach Neumond erstmals wieder mit bloßem Auge sichtbar ist. Das kann von Land zu Land unterschiedlich sein. In Deutschland beginnt der Ramadan in diesem Jahr am Donnerstag um 6.29 Uhr.

Im Ramadan sind die Gläubigen aufgerufen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr zu verzichten. 30 Tage dauert das Fasten. Ausgenommen vom Fastengebot sind Alte und Kranke, Kinder, Schwangere und Reisende sowie Soldaten im Krieg. Weltweit gibt es etwa eine Milliarde Muslime. In Deutschland leben rund 3,2 Millionen Muslime. Der Zentralrat der Muslime schätzt, dass in Deutschland rund die Hälfte der Erwachsenen am Fasten teilnimmt.

Der Ramadan ist auch der Monat der guten Taten und der Läuterung von Körper und Seele. Mitmenschlichkeit und Versöhnung werden groß geschrieben. Die Muslime entrichten die Armensteuer Zakat oder unterstützen Bedürftige.

Nach der Überlieferung begannen im Ramadan die Offenbarungen Gottes an den Propheten Mohammed. Die Gläubigen widmen sich daher besonders dem Gebet und dem Studium des Korans. Abends treffen sie sich mit Freunden und Verwandten zum gemeinsamen, oft üppigen Essen oder kommen in den Moscheen zusammen. In vielen islamischen Ländern verkürzen Geschäfte und Behörden die Arbeitszeiten. Der Ramadan endet mit dem Fest des Fastenbrechens. Fastenzeiten kennen die meisten Religionen.